Carina - sTdH 3
unwissend.«
»Ja, aber
das ist noch nicht alles, Jimmy«, sagte der Vikar eifrig, »sie liebt ihn.«
»Um Himmels
willen!«
»Nein,
nicht Wentwater, sondern Desire.«
»Und wann
hat sie diese Entdeckung gemacht? Meinst du nicht, es ist wieder eine ihrer augenblicklichen
fixen Ideen?«
»Kann sein.
Wie dem auch sei, die dumme Gans merkt das erst, nachdem Lord Harry die
Verlobung aufgelöst und sich verabschiedet hat. All das Geld. Jeremy Blewett
soll ein Krösus sein. Wenn ich mir nicht solche Sorgen um den Zustand meiner
Tochter machen würde, hätte ich ihr eine Tracht Prügel gegeben. Jetzt gibt es
keine Hoffnung mehr.«
»Das würde
ich nicht sagen«, gab der Squire vorsichtig zu bedenken. »Ich kann mir nicht
helfen, aber auf der Fahrt nach Hopeworth haben sie sich bemerkenswert gut
verstanden. Die Atmosphäre war von einer gewissen Intimität erfüllt.«
»Dann ist
es am besten, sie ganz schnell wieder nach London zu schicken.«
»O nein.
Ich meine, Miss Carina sollte eine Zeit der Ruhe gegönnt werden, wenn nötig, auch
der Langeweile.«
»Aber was,
wenn Desire hingeht und heiratet eine andere?«
»Er hat dir
doch gesagt, daß er genug Geld an der Börse gemacht hat und das Geld seines
Onkels nicht braucht«, machte ihn der Squire aufmerksam.
»Aber
irgendeine Frau wird ihn sich todsicher schnappen.«
»Sie haben
es bis jetzt auch noch nicht geschafft, und er ist bestimmt um die Dreißig
rum.«
»Aber er
war jahrelang im Krieg«, erwiderte der Vikar. »Da hatte keine eine Chance, ihn
zu erwischen.«
»Hmm, ich
glaube, wir sollten nichtsdestoweniger warten. Aber um auf Guy Wentwater
zurückzukommen. Es ist mehr als seltsam,daß er es
gewagt hat, sich Miss Carina auch nur zu nähern. Ich meine wirklich, wir
sollten vielleicht wieder nach London gehen – nur einen oder zwei Tage lang –
und Lord Harry fragen, was genau passiert ist, als er die Hutschachteln
abholte, und ob er Carina in irgendeiner Weise bedroht hat.«
»Sie sagt,
sie hat ihn gefragt, ob er sie heiraten will.«
»Es hat
wohl keinen Sinn, Spekulationen darüber anzustellen, bis wir ein bißchen mehr
wissen. Ich habe mir eigenartigerweise nie viele Gedanken über Guy Wentwater
gemacht, obwohl ich fürchte, daß er ein haltloser und schlechter junger Mensch
ist. Aber ich habe ihn für einen zu großen Feigling gehalten, als daß er sehr
gefährlich werden könnte.«
»Wir
könnten vielleicht mit einem Besuch bei Lady Wentwater beginnen«, sagte der
Pfarrer.
Lady
Wentwater war zu Hause, wie fast immer, und saß allein in ihrem düsteren Salon,
wo sie beim Schein von billigen Talgkerzen einen Roman las.
»Meine
Töchter werden Ihnen in Zukunft nicht mehr vorlesen«, begann der Vikar ohne
Einleitung, »bedanken Sie sich bei Ihrem Neffen dafür.«
»Was ist
los mit ihm?« fragte Lady Wentwater, »mal abgesehen von Ihren ungewöhnlichen
Ansichten zum Sklavenhandel.«
»Er hat
wieder versucht, eine von meinen Töchtern zugrundezurichten«, sagte der Vikar
wütend, »und ich will Ihnen eines sagen, Mylady, ich gehe nach London und spüre
ihn auf, und ich werde dafür sorgen, daß er seinen Fuß nicht noch einmal in
dieses Dorf setzt.«
»Immer wird
Guy angegriffen, und er tut doch niemandem was zuleide«, entgegnete Lady
Wentwater ungewöhnlich lebhaft. »Wenn Ihre Mädchen sich ihm an den Hals werfen,
dann können sie ja wohl nichts anderes von ihm erwarten.«
»Da will
ich Ihnen aber mal erzählen, was passiert ist«, sagte Hochwürden, »und wenn Sie
auch nur ein Sterbenswörtchen davon ausplaudern, dann wird es Ihrem Neffen
schlecht ergehen.«
Lady
Wentwater hörte sich die Geschichte von der erfolglosen Flucht mit zur Seite
geneigtem Kopf an, während der Efeu an den Fensterscheiben raschelte und den
Raum mit tanzenden Schatten erfüllte.
»Genauso
habe ich es mir gedacht«, stellte sie fest, als der Vikar geendet hatte. »Mehr
der Angegriffene als der Angreifer. Wenn ich es recht verstehe, hat sich Ihre
Tochter ihm an den Hals geworfen und ihn gebeten, mit ihr wegzulaufen, weil Sie
sie zwingen wollten, einen Mann zu heiraten, den sie nicht mag. Guy beschließt,
bei der Sache nicht mitzumachen. Sie taucht hier auf. Er hat mit zwei Freunden
reichlich getrunken. Er neckt sie ein wenig, um sie wieder zur Vernunft zu
bringen. Und seine Freunde, nicht gerade höflich, versuchen, sie lächerlich zu
machen – also rennt sie weg. Mein armer Guy bildet sich dann ein, daß er in sie
verliebt ist, und lauert ihr in London auf. Wieder
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