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Carina - sTdH 3

Carina - sTdH 3

Titel: Carina - sTdH 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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und zog sich wieder
zurück, um der Köchin und Betty zu sagen, daß der Herr zweifellos ganz bald zum
Essen kommen werde.
    Carina war
froh, daß sie wieder ein Zimmer für sich allein hatte. Sie saß am Fenster, aber
diesmal träumte sie davon, Lord Harry auf dem Weg gehen zu sehen. Warum hatte
sie nicht eher gemerkt, daß sie ihn liebte? Warum hatte sie ihren Vater so
gehaßt? Es war, als hätte sie die Welt durch einen Zerrspiegel gesehen und erst
jetzt sähe sie sie auf einmal so, wie sie wirklich war.
    Es war sehr
bitter, unmittelbar nach Auflösung der Verlobung zu erkennen, daß man den
ehemaligen Bräutigam liebte.
    Betty kam
geschäftig mit einem heißen Milchgetränk in der Hand hereingeeilt: »Mr.
Armitage hat mich damit heraufgeschickt und mir gesagt, daß Sie ins Bett gehen
wollen.«
    »Jawohl,
Betty«, sagte Carina. »Vielleicht habe ich einen Schlamassel angerichtet, aber
vielleicht kriege ich einen reichen Mann, und dann können du und John
heiraten.«
    »Es ist
schade, daß es nicht Lord Harry ist«, sagte Betty. »Aber er war zu schön.
Irgendwie zum Angst haben. Und machen Sie sich um mich keine Sorgen, Miss, aber
es ist nett von Ihnen, daß Sie daran denken. Der Vikar hat versprochen, daß wir
noch vor der Ernte heiraten, keine Angst.«
    »Das ist
wunderbar, Betty. Aber wie hast du denn Papa herumgekriegt?«
    »Da gibt es
schon Möglichkeiten«, sagte Betty grinsend. »Jetzt lege ich Ihnen die
Wärmflasche zwischen die Laken, und Sie ziehen Ihr Nachthemd an.«
    Als Carina
schließlich warm eingepackt im Bett lag, sagte sie schläfrig: »Betty, wie kann
ich Latein lernen?«
    »Ich weiß
nicht, Miss. Warum fragen Sie nicht Mr. Pettifor? Er ist doch so ein
Bücherwurm.«
    »Du hast
recht, Betty. Ich möchte so vieles lernen.«
    »Sie können
doch lesen und schreiben, Miss, und Klavier spielen. Was braucht eine Lady
mehr?«
    »Ja, nur,
ich habe herausgefunden, daß ich wirklich ziemlich dumm bin, Betty.«
    »Aber Sie
doch nicht«, sagte Betty besänftigend, als sie die Kerzen ausblies und das
kleine Nachtlicht in dem durchlöcherten Gefäß neben dem Bett anmachte. »Miss
Minerva, ich meine Lady Sylvester, hat immer gesagt, daß Sie der Kopf der
Familie sind.«
    »Dann hat
sie sich schwer geirrt«, seufzte Carina.
    »Ach, Sie
sind jung«, lächelte Betty und stopfte die Bettdeckefest, »und
es gibt niemanden auf der weiten Welt, der nicht Dummheiten macht, wenn er
jung ist. Morgen früh kommen Sie sich wieder klug vor.«
    Und damit
verließ sie leise den Raum.
    Am
nächsten Morgen kam
eine Abordnung zorniger Bauern zum Pfarrhaus, um sich bei Hochwürden zu
beschweren, weil er über ihre Felder gejagt war, wo doch das Frühjahrsgemüse
gerade aufging. Dazu kam, daß der Tag klar und frostig war, so daß der Vikar
zwei Gründe hatte, seine Hunde nicht rauszulassen.
    Statt nach
London zu eilen, um die Clubs und Kaffeehäuser nach Guy zu durchforsten,
beschloß er, zuerst Squire Radford aufzusuchen.
    Wentwater
hatte nie so richtig zur Gesellschaft gehört, überlegte der Vikar. Er war
einer, der behauptete, jeden zu kennen, und doch kannte ihn niemand. Er war bei
White's und Brook's und Watier's ein Unbekannter. Man sah ihn auch nie in den
Salons und Empfangszimmern der Leute, die zählten.
    In der
Grafschaft Berham hielt man ihn für etwas Besseres. Aber er kam nur selten zu
Besuch, und Lady Wentwater wurde als eine Art Einsiedlerin angesehen.
    Squire
Radford lauschte den Verwicklungen der Geschichte um Carina gespannt.
    »Was mir
angst macht«, schloß der Vikar, »ist, daß sie hergegangen ist und dasselbe
noch einmal machen wollte, daß sie ihn ein zweites Mal gebeten hat, mit ihr
durchzubrennen. Glaubst du, sie hat nicht alle Tassen im Schrank?«
    »Ich
glaube, daß sie für ihr Alter sehr kindlich ist und daß sie sehr unglücklich
war. Minerva hatte ihr eine Rolle zugedacht – nämlich die eines
hochintelligenten Mädchens. Und diese Rolle hat sie gespielt und daran
geglaubt. Plötzlich war das Ganze nicht wahr, und sie hat sich verloren und
minderwertig und dumm gefühlt. Sir Thomas Browne sagt, daß jeder Mensch sein
eigener Henker ist, und ich glaube das. Meine arme Tochter hat sich
entschieden, sich das Leben zu nehmen, indem sie mit einem Taugenichts
davonlief. Wenn wir
uns nicht selbst zerstören, finden wir jemand anderen, der das für uns
übernimmt. Carina wird bald entdecken, daß sie eigentlich beinahe so klug ist,
wie ihr Minerva eingeredet hat, aber eben sehr jung und

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