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Carina - sTdH 3

Carina - sTdH 3

Titel: Carina - sTdH 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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als eine gestrenge Matrone auf sie zukam.
    »O mein
Gott«, flüsterte der Vikar Carina zu. »Das ist Lady Mason, Lady Chesters
Tochter.«
    »Mama«,
sagte Lady Mason, nichts Gutes verheißend, »was höre ich? Ist das der berühmte
Mr. Anstey, von dem ich soviel gehört habe? Ist das der Tunichtgut, der auf das
Geld älterer Damen aus ist? Du bist zum Gespött der Londoner Gesellschaft
geworden.«
    »Auf meine
Ehre«, blökte Mr. Anstey, der unter dem giftigen Blick aus Lady Masons
hervorstehenden Augen zusammenzuckte, »ich bete Ihre Mama an.«
    »Sie aufgeblasener
Kerl, Sie Scharlatan, Sie herausgeputzter Schnösel, Sie Krämerseele!« zischte
Lady Mason. »Mason!« rief sie über die Schulter. Ihr dicker, gewöhnlich
aussehender Mann kam gemächlich herbei. »Mason, das ist die nichtsnutzige
Kreatur, die Mama wie ein Blutegel aussaugt.«
    »Ach nein?«
sagte Lord Mason mit unheilverkündendem Blick und machte sich an seinem Säbel
zu schaffen.
    Mr. Anstey
sah seine Begleiter hilfesuchend an. Mr. Armitage und Squire Radford waren
scheinbar vollständig davon in Anspruch genommen, die Leute, die an ihnen
vorbeigingen, zu beobachten. Lady Godolphin klammerte sich an Colonel Brians
Arm und starrte stur geradeaus.
    Lady
Chesters Blick verriet große Angst vor ihrer Tochter.
    »Ich bin der Ansicht«,
blökte Mr. Anstey, »daß Sie solche Dinge nicht sagen dürfen.«
    »Wie wollen
Sie das verhindern, he?« spottete Lord Mason. Er streifte einen Handschuh ab
und schlug Mr. Anstey damit über das Gesicht.
    »Nennen Sie
mir Ihre Sekundanten«, knurrte er drohend.
    »Ich will
nicht!« stieß Mr. Anstey aus, drehte sich um und floh so schnell, wie ihn seine
Spinnenbeine tragen konnten, in die Menge hinein.
    Lady
Chester begann zu weinen und wurde an den starken Armen ihrer Tochter und ihres
Schwiegersohnes abgeführt.
    Die geschrumpfte
Gesellschaft ging schweigend zu Lady Godolphins Loge.
    Es gab die
Gluck-Oper ›Orpheus und Eurydike‹. Anfangs erwartete Carina mehr das
Eintreffen von Lord Harry, als daß sie sich für die Ereignisse auf der Bühne
interessierte, schließlich aber nahmen die Handlung und die Musik sie doch
gefangen.
    Und als
Orpheus die tote Eurydike in die Arme nahm und in das berühmte Klagelied
›Ach, ich habe sie verloren‹ ausbrach, da liefen Carina die Tränen
unaufhaltsam über die Wangen.
    Und in
diesem Augenblick tauchte eine Hand vor ihrer Nase auf und hielt ihr ein großes
Taschentuch hin. Sie nahm es dankbar, und erst als der letzte Ton der bekannten
Arie verklungen war, erinnerte sie sich an das letzte Mal, als ihr eine Hand
ein Taschentuch gereicht hatte. Sie drehte sich überrascht um und schaute zu
den klaren blauen Augen von Lord Harry Desire, der hinter ihrem Stuhl stand,
auf.
    Auf der
Bühne wurde Eurydike von Amor erneut zum Leben erweckt, und Carina wurde durch
die leichte Berührung von Lord Harrys Hand auf ihrer Schulter wieder in die
Gegenwart zurückgeholt.
    Nach der
Oper entschuldigte sich Lord Harry bei Lady Godolphin für seine Verspätung.
»Sie haben nichts versäumt«, sagte Ihre Ladyschaft, »außer schlimmen Szenen und
Auftritten. Diese alte Schrulle, Lady Chester, wurde von ihrer Tochter, Lady
Mason, regelrecht abgeführt. Mason selbst hat Anstey zum Duell gefordert, und
Anstey ist wie ein Irrer davongerannt, der nichtsnutzige Feigling. Mein Arthur
würde sich nie so feige benehmen.« Sie drückte die Hand des Colonel. Dieser
glühte vor Freude und murmelte äußerst untertänig: »Liebe Lady.«
    Lord Harry
nahm seine Hand von Carinas Schulter, und sie erschauerte, als ob ihr plötzlich
kalt wäre.
    Als sie
dachte, er würde woanders hinschauen, blickte sie zu ihm auf. Er drehte sich
auf der Stelle um und schaute ihr voll ins Gesicht. Sie schlug die Augen nieder
und errötete schamhaft. Ein schreckliches Erröten. Sie konnte es irgendwo an
den Fußsohlen beginnen fühlen, und dann breitete es sich bis zur Stirn über
ihren ganzen Körper aus.
    Innerlich
verfluchte sie die funkelnden Lichter des Opernhauses. Von allen Seiten wurde
sie angestarrt. Wie durch einen Nebel sah sie Lord Harry sich abwenden und
etwas zu Colonel Brian sagen.
    Schließlich
kämpften sie sich alle inmitten von Menschenmassen die Stufen hinab.
    »Niemand
bleibt still in seiner Loge sitzen und wartet ab, bis alle gegangen sind«,
dachte Carina ärgerlich. »Dazuzugehören bedeutet offenbar, daß man sich
zerdrücken lassen muß.«
    Dann warf
sie das Gedränge der Menge gegen Lord Harry, der einen

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