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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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verlustiert hatte, rief er seinen Bruder an, einen Polizeikommissar in Nørre Snede.
    Was passiert war, begriffen die beiden Mädchen erst, als zwei große Burschen von der Polizei in Ringkøbing ihnen Handschellen anlegten und sie zum Streifenwagen führten.
    Am nächsten Morgen brachte man sie in die Keller'schen Anstalten in Brejning zurück. Jetzt bekamen Rita und Nete umgehend ihr Gespräch mit dem Oberarzt.
    »Rita Nielsen, du bist ein abscheuliches, unberechenbares Mädchen«, sagte er. »Du hast nicht nur das Vertrauen des Personals missbraucht, sondern vor allem auch deinem eigenen Wohl extrem geschadet. Dein Charakter ist verdorben, du bist dumm und verlogen und sexuell ungezügelt. Ließe ich ein asoziales Wesen wie dich auf die Menschheit los, würdest du mit jedem Dahergelaufenen ins Bett steigen, und bald schon würden der Gesellschaft deine vielen Blagen zur Last fallen. Deshalb habe ich heute in deinen Bericht geschrieben, dass für dich nur eine Zwangsbehandlung in Frage kommt, weil du anderes nicht kapierst. Und zwar so lange, bis du kapierst.«
    Noch am selben Tag saßen Rita und Nete auf dem Rücksitz eines schwarzen Citroëns, dessen Türen abgeschlossen waren. Auf dem Beifahrersitz lag der Bericht des Oberarztes. Das Ziel der Reise war Sprogø, die Insel der ausgestoßenen Frauen.
    »Hätte ich bloß nicht auf dich gehört!«, schluchzte Nete, während sie über Fünen fuhren. »Das ist alles nur deine Schuld.«

    »Der ist etwas bitter, Nete«, sagte Rita, nachdem sie am Tee genippt hatte. »Vielleicht hast du stattdessen einen Kaffee?«
    Da überzog ein sonderbarer Ausdruck Netes Gesicht. Als hätte Rita ihr ein Geschenk hingehalten und es in dem Moment, als Nete danach greifen wollte, zurückgezogen. Das war nicht nur Enttäuschung. Das war mehr, und es saß tiefer.
    »Nein, Rita, Kaffee habe ich leider nicht im Haus«, antwortete Nete mit so matter Stimme, als sei ihre Welt am Einstürzen.
    Gleich schlägt sie vor, frischen Tee zu kochen, dachte Rita, die sich innerlich darüber amüsierte, wie ernst Nete ihre Gastgeberinnenrolle zu nehmen schien.
    Aber Nete schlug nichts vor. Sie saß Rita gegenüber und wirkte, als würde sich auf einmal alles in Zeitlupe abspielen.
    Rita schüttelte den Kopf.
    »Ach egal, Nete. Hast du Milch? Dann gießen wir einfach ein bisschen Milch in den Tee. Das hilft bestimmt.« Erstaunt stellte sie fest, wie erleichtert Nete sofort wirkte.
    »Aber natürlich!« Nete sprang auf und stürzte geradezu aus dem Raum. »Nur einen Moment, bin gleich wieder da!«, rief sie.
    Rita sah hinüber zur Anrichte, wo die Teekanne stand. Warum hatte sie die nicht auf den Tisch gestellt? Aber als vollendete Gastgeberin tat man das vielleicht nicht. Davon verstand Rita nichts.
    Eine Sekunde lang überlegte sie, ob sie um ein Glas dieses Likörs bitten sollte oder was immer das in der Karaffe war, die neben der Teekanne stand. Aber da kam Nete schon mit dem Milchkännchen zurück und schenkte mit einem Lächeln ein, das Rita etwas angestrengt vorkam.
    »Zucker?«, fragte Nete.
    Rita schüttelte den Kopf. Auf einmal wirkte Nete so hektisch, als hätte sie es eilig, und das weckte Ritas Neugier. Handelte es sich nur um ein Ritual, das überstanden werden musste, ehe Nete ihr endlich die Hand reichte und ihr sagte, wie froh sie sei, dass sie die Einladung angenommen habe? Oder ging es um etwas ganz anderes?
    »Na, Nete, wo ist denn der Anwalt, von dem du geschrieben hast?«, fragte Rita und bemühte sich um ein der Situation angemessenes Lächeln. Das Lächeln wurde nicht erwidert, aber das hatte sie auch nicht erwartet.
    Als hätte sie Nete nicht längst durchschaut. Es gab gar keinen Anwalt, sie bekam gar keine zehn Millionen und Nete war gar nicht krank.
    Nun galt es, überlegt zu handeln, damit sich die Reise trotzdem noch auszahlte.
    Gib Obacht, sie führt was im Schilde, sagte sich Rita und nickte, als Nete erklärte, der Anwalt habe sich verspätet, aber er müsse jeden Augenblick da sein.
    Das war doch kurios. So schön und so reich und trotzdem so leicht zu durchschauen.
    Da lachte Nete plötzlich auf und hob ihre Teetasse. »Wer trinkt auf ex?«, rief sie.
    Mannomann, was für ein Stimmungswechsel, dachte Rita leicht verwirrt. Und sogleich stiegen die Bilder aus der Vergangenheit auf.
    Erinnerte Nete sich wirklich noch daran? An das Ritual? Wenn die Mädchen beim Essen ausnahmsweise mal nicht beaufsichtigt wurden, wenn keiner da war, der für Ruhe am Tisch sorgte, dann saßen

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