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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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hat, die nicht von selbst heilen will? Das glaubst du doch selber nicht. Aber aus mir eine Dumme machen, nur weil ich nicht weiß, wer in Norwegen König ist, das können sie!«
    Nachdem sie den Kindern vierzehn Tage lang die Gesichter und Hintern abgewischt hatten, konnten sie in der Kinderabteilung kommen und gehen, wann sie wollten. Und Rita begann ihren Kreuzzug.
    »Na, bist du schon beim Oberarzt gewesen, Nete?«, fragte sie jeden Morgen. »Oder vielleicht zum Gespräch bei einem der anderen Ärzte? Ach, und hat der Oberarzt dem Gemeindevorsteher gegenüber schon eine Empfehlung auf Entlassung ausgesprochen? Hat er dich überhaupt schon einmal angeschaut?« Die Worte flogen Nete um die Ohren wie Maschinengewehrsalven.
    Und nachdem das eine Woche lang so gegangen war, hatte Nete genug.
    Nach der Mittagspause sah sie sich um, sah all die schiefäugigen Gesichter, die krummen Rücken, die kurzen Beine und die ausweichenden Blicke. Und langsam dämmerte es ihr: Letztlich war sie eine von denen, denen sie selbst den Hintern abwischte, und das wollte sie keine Sekunde länger sein.
    »Ich möchte gern mit dem Oberarzt sprechen«, sagte sie zu einer Krankenschwester, die kopfschüttelnd an ihr vorbeiging. Und nachdem sie das einige Male wiederholt hatte und niemand ihr zuhören wollte, stellte sie sich hin und schrie es raus, so laut sie konnte.
    An dieser Stelle kam Ritas Erfahrung der wohl fast zwangsläufigen Entwicklung der Dinge zuvor.
    »Wenn du so weitermachst, dann wirst du tatsächlich bald mit dem Oberarzt reden. Aber vorher wirst du ein paar Tage ans Bett gefesselt, vollgepumpt mit Spritzen, damit du endlich die Klappe hältst, da kannst du sicher sein.«
    Nete legte den Kopf in den Nacken, um ihre Botschaft noch einmal mit aller Kraft hinauszuschreien, aber da packte Rita sie.
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten für Mädchen wie dich und mich, von hier wegzukommen. Entweder durch Flucht oder durch Sterilisierung. Hast du eine Ahnung, wie schnell sie die aussortiert haben, die sterilisiert werden sollen, und die anderen, die davonkommen? Ich weiß, dass der Oberarzt und der Psychologe letzte Woche in zehn Minuten fünfzehn Mädchen aussortiert haben. Na, und was glaubst du wohl, wie viele von denen davongekommen sind? Nein, wenn der Ausschuss des Sozialministeriums die Fälle behandelt, kannst du sicher sein, dass die meisten nach Vejle ins Krankenhaus kommen.
    Deshalb frage ich dich noch mal, Nete. Gibt es jemanden dort draußen, außerhalb der Anstalt, den du vermissen wirst? Denn wenn nicht, dann hau mit mir zusammen ab. Gleich heute Abend, sobald wir die Kinder gefüttert haben.«
    Noch am selben Tag stahlen sie zwei weiße Blusen und Röcke und verließen das Anstaltsgelände wie alle anderen Angestellten durch das Tor. Sie versteckten sich eine Weile im Gebüsch und entfernten sich Stunde um Stunde weiter von der Anstalt. Am nächsten Morgen warfen sie die Fensterscheibe eines Bauernhauses ein. Da alle im Stall waren, hatten die beiden Mädchen freie Hand und nahmen sich Kleidung sowie etwas Geld. Und weg waren sie.
    Im Seitenwagen eines Nimbus-Motorrads kamen sie nach Silkeborg. Der Polizei fielen sie zum ersten Mal auf, als sie an der Landstraße nach Viborg standen und trampten.
    So hauten sie über Waldwege ab und waren wieder in Sicherheit. Drei Tage lang schliefen sie in einer Jagdhütte und lebten von Konserven.
    Rita versuchte es Nacht für Nacht bei Nete. Schmiegte sich dicht an ihre winterblasse Haut und umfasste ihre Brüste, aber Nete schob sie weg. Sie sagte etwas wie, es gebe zwei Sorten Menschen, und deshalb sei es unnatürlich, wenn eine von der einen Sorte mit einer von derselben Sorte schlafen würde.
    Am dritten Tag, es goss in Strömen und war eiskalt, waren die Konserven alle. Drei Stunden standen sie an der Straße, ehe sich der Fahrer eines Kühlwagens ihrer erbarmte. Mit Putzwolle durften sie sich im Führerhaus trocken reiben. Klar glotzte er, aber er brachte sie dennoch nach Hvide Sande.
    Und dort fanden sie tatsächlich einen Kutterskipper, der ihnen zublinzelte und nur allzu bereit war, sie mitzunehmen. Und wenn sie lieb und nett wären, wollte er sie später sogar mit Freude an eine einsame englische Crew übergeben, damit sie weiterkämen. Jedenfalls sagte er das.
    Während er sie jedoch bat, sich zur Verfügung zu halten, damit er die Ware prüfen könne, schüttelte Nete den Kopf, sodass er sich mit Rita begnügen musste. Und nachdem er sich zwei Stunden mit ihr

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