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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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sie im Speisesaal und spielten, sie wären frei. Dann stellten sie sich vor, sie hockten auf dem Jahrmarkt mit hoch erhobenen Biergläsern und täten, wozu sie Lust hätten.
    In dem Moment hatte Rita immer: »Wer trinkt auf ex?« gerufen und dann hatten sie die Gläser mit dem Leitungswasser in einem Zug geleert. Und alle hatten gelacht, damals, bis auf Nete, die saß einfach in der Ecke und schaute aus dem Fenster.
    Zum Teufel, erinnerte sich Nete tatsächlich daran?
    Rita lächelte ihr zu, setzte die Tasse an, trank den Tee in einem Zug aus und hatte auf einmal das Gefühl, dass der Tag trotz allem noch gut werden würde.
    »Ich!«, riefen beide wie aus einem Mund und lachten lauthals. Dann ging Nete zur Anrichte und schenkte nach.
    »Nicht für mich, danke«, sagte Rita, immer noch lachend. »Dass du dich daran erinnerst!«, fuhr sie fort und wiederholte ihren Schlachtruf. »Ja, da war schon was los.«
    Dann erzählte sie ein, zwei Geschichten von den Nummern, die sie und zwei der anderen Mädchen dort draußen auf der Insel draufgehabt hatten.
    Sie nickte vor sich hin. Erstaunlich, wie die Stimmung in dieser Wohnung plötzlich dermaßen viele Erinnerungen wachrufen konnte, und erstaunlich, dass es nicht nur die schlechten waren.
    Nete stellte ihre Tasse auf den Tisch und lachte dann in einer anderen Tonart, so als läge hinter dem Amüsement noch mehr. Doch ehe Rita darauf reagieren konnte, sah Nete ihr direkt in die Augen und sagte ganz ruhig: »Mal ehrlich, Rita. Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte ich ein ziemlich normales Leben führen können, da bin ich mir sicher. Hättest du mich in Ruhe gelassen, wäre ich nie auf Sprogø gelandet. Ich hätte sehr schnell gelernt, mich in der Anstalt zu benehmen. Hättest du nicht in jeder Hinsicht alles ruiniert, hätten die Ärzte begriffen, dass ich normal war, und mich gehen lassen. Sie hätten kapiert, dass nicht ich asozial war, sondern das Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Sie hätten schon gesehen, dass sie von mir nichts zu befürchten gehabt hätten. Warum hast du mich nicht einfach in Ruhe gelassen?«
    Ach, darum geht es?, schoss es Rita durch den Kopf. Nete war auf dem Vergangenheitsbewältigungstrip. Na, da war sie aber an die Falsche geraten. Bevor sie, Rita, ihren Wagen wieder in Richtung Kolding wendete, sollte die Schlampe nicht nur für die Fahrt noch mal hübsch was drauflegen, sondern auch einen ordentlichen Arschvoll kriegen.
    Rita räusperte sich. Der Tee schmeckt total scheiße, wollte sie sagen. Nicht ums Verrecken wäre Nete damals ohne Sterilisierung davongekommen, weder von Sprogø noch aus Brejning hätte man sie gehen lassen, und sie sei einfach eine dumme Sau, die für das, was sie getan habe, die Verantwortung selbst übernehmen müsse, wollte sie sagen. Aber sie hatte so einen verflucht trockenen Mund.
    Sie griff sich an den Hals. Irgendwie war das ein merkwürdiges Gefühl, fast wie bei einem dieser allergischen Anfälle, wenn sie Schalentiere gegessen hatte oder von einer Wespe gestochen worden war. Und plötzlich brannte ihre Haut, als hätte sie sich in Brennnesseln gewälzt, und auch das Licht blendete so.
    »Was ist in diesem Scheißtee gewesen?«, stöhnte sie und sah sich benommen um. Verdammt, jetzt brannte auch noch ihre Speiseröhre!
    Die Gestalt vor ihr erhob sich und kam näher. Die Stimme war sanfter, klang aber sonderbar hohl.
    »Rita, alles okay mit dir?«, sagte die Stimme. »Meinst du nicht, du solltest dich ein bisschen zurücklehnen? Nicht, dass du noch vom Stuhl fällst. Weißt du was, ich rufe einen Arzt. Vielleicht hast du einen Schlaganfall? Deine Pupillen sehen völlig verrückt aus.«
    Rita rang nach Luft. Die kupfernen Gegenstände auf den Regalbrettern vor ihr begannen zu tanzen, und ihr Herz schlug erst immer schneller, dann schwach und schwächer.
    Der Arm, den sie nach der Gestalt vor ihr ausstreckte, war schwer wie Blei. Sekundenlang ähnelte diese Gestalt einem Tier, das sich auf die Hinterbeine gestellt und seine Klauen ausgefahren hatte.
    Da fiel ihr Arm herab, im nächsten Moment stand das Herz fast ganz still.
    Und so, wie die Gestalt vor ihr verschwand, war auch das Licht verschwunden.

26
    November 2010
    A ls sie ihn weckte, lagen Streifen von Sonnenlicht über allem und er hätte sich liebend gern in eine ihrer vielen Lachfalten geschmiegt.
    »Du musst los, Carl. Du fährst doch mit Assad nach Fünen!«
    Sie küsste ihn und zog die Jalousie hoch. Ihr Körper war nach der wilden Nacht

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