Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Staatsanwalt? Das ist doch Blödsinn. Aber Respekt, dass Sie Ihre Interessen wahren. Solche wie Sie hängen heutzutage in Dänemark ja nicht an den Bäumen. Nur ruhig Blut, mich bringen keine zehn Pferde an den Trog der Geständnisse.«
Das war ja fast wie sich selbst zuzuhören.
»Passen Sie mal auf, Mørck. Die Leute in Curt Wads Umgebung sind militant. Die bringen völlig skrupellos ungeborene Kinder um. Die haben ein ausgeklügeltes System, sämtliche Spuren hinter sich zu verwischen. Denen stehen Millionen zur Verfügung, um Handlanger zu bezahlen. Sich mit denen anzulegen, würde ich keinem raten. Glauben Sie denn, ich würde zurzeit dort wohnen, wo ich gemeldet bin? Nein. Ich passe auf mich auf. Denn wenn einer Zweifel an deren dreckigem Menschenbild sät oder an der Politik, die sie vertreten, scheuen die keine Mittel, das versichere ich Ihnen. Nehmen Sie doch nur mal diesen Arzt, diesen Hans Christian Dyrmand. Wenn Sie mich fragen, hat man ihn gezwungen, die Schlaftabletten zu fressen. Deshalb halte ich schön die Klappe.«
»Zumindest so lange, bis Sie den Mist veröffentlichen.«
»Klar, bis dahin. Aber um meine Quellen zu schützen, bin ich willens, ins Gefängnis zu gehen, da können Sie sicher sein. Hauptsache, mir gelingt es, Curt Wad und dieses Pack zur Strecke zu bringen.«
»Okay. Dann sage ich Ihnen, dass wir in einer Reihe von Fällen ermitteln, bei denen Menschen spurlos verschwunden sind. Anscheinend besteht eine Verbindung zu Frauen, die auf Sprogø interniert waren. Spricht etwas für die Vermutung, dass Curt Wad da seine Hände im Spiel hatte? Mir ist klar, das ist fünfzig Jahre her. Aber vielleicht wissen Sie ja etwas.«
Er konnte gedämpft hören, wie der Mann tief Luft holte, dann wurde es still.
»Sind Sie noch da?«
»Ja, ja. Hören Sie, ich muss mich einen Moment fassen. Die Tante meiner Mutter war ein Sprogø-Mädchen, und sie hatte die widerwärtigsten Geschichten zu berichten. Nicht direkt über Curt Wad, aber es gibt andere von diesem Schlag. Ob er in diese Schweinerei involviert war, weiß ich nicht. Aber es würde mich nicht wundern.«
»Gut. Ich habe schon mit einem anderen Journalisten geredet, Louis Petterson. Der hat mal ein paar kritische Artikel über Curt Wad geschrieben. Kennen Sie den?«
»Vom Hörensagen, ja. Und natürlich kenne ich, was er publiziert hat. Er ist der Inbegriff all dessen, wogegen rechtschaffene Journalisten ankämpfen. Er war Freelancer und hatte tatsächlich eine richtig interessante Geschichte am Wickel. Aber Curt Wad hat ihn anscheinend auf andere Gedanken gebracht, indem er ihn bei Benefice untergebracht hat, das ist eine Art Nachrichtenagentur, sehr tendenziös. Ist garantiert ein lukrativer Job. Die kritischen Artikel wurden jedenfalls schlagartig eingestellt.«
»Haben Sie so ein Angebot auch schon bekommen?«
Søren Brandt lachte. »Noch nicht. Aber bei den Hyänen weiß man nie. Gestern, beim Gründungsparteitag von Klare Grenzen, habe ich mit einem Zwischenruf erreicht, dass Wad und Lønberg ziemlich angepisst auf mich reagiert haben.«
»Aha. Sie erwähnen Lønberg, was wissen Sie über den?«
»Wilfrid Lønberg, Curt Wads rechte Hand und sein Hätschelkind. Vater der Schattenvorsitzenden von Benefice, Mitbegründer von Klare Grenzen und insbesondere aktiv im Geheimen Kampf. Ja, ich finde, den sollten Sie sich ruhig mal schnappen. Der und Curt Wad sind in meinen Augen schlicht und einfach Reinkarnationen von Josef Mengele.«
Schon lange, bevor sie zum Haus kamen, sahen sie den Feuerschein, der den dunklen Novemberhimmel erhellte.
»Ganz schön teures Viertel.« Assad nickte in Richtung all der Villen ringsum.
Sie parkten den Wagen und marschierten auf Lønbergs Haus zu. Es unterschied sich kaum von den anderen in der Straße, weiß und stolz, mit riesigen Sprossenfenstern und glasierten Ziegeln. Nur lag es etwas weiter zurückgesetzt von der Straße und hatte eine entsprechend lange Auffahrt, über deren knirschenden Kies sie alles andere als lautlos vorankamen.
»Was machen Sie hier auf meinem Grundstück?«, tönte plötzlich eine Stimme.
Sie bogen um eine Hecke und sahen sich einem älteren Mann mit braunem Kittel und gewaltigen Gartenhandschuhen gegenüber.
»Was haben Sie hier zu suchen?« Mit aufgebrachter Miene stellte er sich vor das Ölfass, das er offenbar mit Papieren aus einer danebenstehenden Schubkarre gefüttert hatte. Der Inhalt brannte lichterloh.
»Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass offenes Feuer im
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