Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
sehe ich anders. Haben Sie meinen Blog zum Selbstmord von Hans Christian Dyrmand gelesen?«, fragte Søren Brandt, dann schwieg er und wartete.
Was war dieser Kerl doch für eine Plage. Und das Internet ebenso.
»Ich habe mit Dyrmands Witwe gesprochen«, fuhr der Journalist unvermittelt fort. »Ihr ist das Handeln ihres Mannes ganz und gar unverständlich. Haben Sie dazu einen Kommentar?«
»Absolut nicht. Ich kannte den Mann ja kaum. Und hören Sie, ich sitze hier und trauere. Meine Frau liegt im Sterben. Wenn Sie nun den Anstand hätten, mich in Ruhe zu lassen, dann könnten wir uns an einem anderen Tag unterhalten.«
»Das tut mir leid. Ich bin übrigens in den Besitz von Informationen gelangt, denen zufolge Sie ins Visier polizeilicher Ermittlungen geraten sind - in Zusammenhang mit einigen vermissten Personen. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie auch das im Moment nicht kommentieren wollen?«
»Was für vermisste Personen?« Curt hatte keine Ahnung, worum es dabei ging, hörte nun aber schon zum zweiten Mal davon.
»Ja, das ist wohl eine Sache zwischen Ihnen und der Polizei. Aber wenn ich das richtig sehe, würde die Polizei gern Informationen mit mir austauschen über die eklatant kriminellen Aktivitäten des Geheimen Kampfes. Meine letzte Frage lautet deshalb, ob Sie und Wilfrid Lønberg die Absicht haben, Maßnahmen wie zum Beispiel Zwangssterilisierungen mit ins Programm Ihrer Partei aufzunehmen?«
»Ach, möge man mich doch mit dieser Art Diffamierung verschonen. Ich werde mich schon mit der Polizei auseinandersetzen, da können Sie gewiss sein. Und veröffentlichen Sie, was Sie wollen, meinetwegen auch ohne es zu dokumentieren. Es wird nur eine unheimlich teure Angelegenheit für Sie, das verspreche ich Ihnen.«
»Okay, vielen Dank. Belege habe ich übrigens genug, keine Sorge. Aber ich bedanke mich für Ihren Kommentar. So habe ich doch wenigstens noch ein aktuelles Zitat.«
Damit legte er auf. Er legte auf! Curt Wad kochte vor Wut.
Welche Belege konnte er meinen? Hatte sich die Geschichte von Nørvigs gestohlenen Akten tatsächlich schon so weit herumgesprochen? Na, damit wäre wohl auch das Schicksal dieses Presseheinis besiegelt.
Er nahm das sichere Handy und gab Caspersens Nummer ein.
»Wie ist die Lage nach dem nächtlichen Besuch im Präsidium, Caspersen?«
»Nicht gut, fürchte ich. Wir haben unseren Mann zwar problemlos hineinbekommen, aber als er in den Keller ging, wurde er von diesem Hafez el-Assad entdeckt. Der schläft anscheinend dort.«
»Zum Teufel mit dem! Bewacht er die Akten, was meinst du?«
»Ich fürchte, ja.«
»Warum hast du mich nicht angerufen, Caspersen, und mir davon berichtet?«
»Ich habe angerufen, Curt. Mehrfach an diesem Vormittag. Aber nicht diesen Anschluss, von dem du jetzt sprichst. Das andere Handy.«
»Ich benutze mein iPhone momentan nicht. Aus Sicherheitsgründen.«
»Aber ich habe auch die Festnetznummer gewählt.«
Curt drückte die Taste und sah aufs Display. Richtig. Vor dem Gespräch mit Søren Brandt waren verschiedene entgangene Anrufe registriert. Caspersen hatte seit acht Uhr mindestens alle zwanzig Minuten angerufen.
Hatte er wirklich so tief neben Beate geschlafen? Und hatte er in diesem Leben wirklich zum letzten Mal neben ihr gelegen?
Er brach das Gespräch ab und sah zu Beate, aber seine Gedanken wanderten schon wieder weiter.
Alle drei mussten weg, es gab keine andere Lösung. Der Araber, Carl Mørck und Søren Brandt. Um Nete Hermansen würde er sich später kümmern. Sie stellte nicht im selben Maß eine Bedrohung dar wie die anderen.
Wieder griff er nach dem sicheren Handy und gab diesmal Mikaels Nummer ein.
»Können wir ermitteln, wo sich Søren Brandt gerade aufhält?«
»In einem Sommerhaus in Høve, Vej 5.«
»Woher wissen wir das?«
»Das wissen wir, weil wir ihn beschatten, seit er den Gründungsparteitag gestört hat.«
Curt lächelte. Zum ersten Mal an diesem Tag.
»Gut, Mikael. Sehr gut. Und was ist mit Carl Mørck? Habt ihr den auch im Visier?«
»Haben wir. Gerade geht er dort, wo er wohnt, über den Parkplatz. Unser Mann beschattet ihn. Und wenn einer weiß, wie man das macht, dann er. Ehemaliger Nachrichtendienstler. Aber wo der Araber ist, weiß ich noch immer nicht.«
»Das kann ich dir sagen. Im Keller des Polizeipräsidiums. Bring also ruhig einen Mann gegenüber, beim Postamt, in Stellung, damit er mitbekommt, wann unser Zielobjekt den Ort verlässt. Und, Mikael?«
»Ja.«
»Wenn heute Nacht
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