Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
das erkennen?«
»Ja, er stand ja an der Tür, und da ist es ziemlich hell. Es machte den Eindruck, als würde er am Schloss rumfummeln, aber er hat sich nicht zu uns umgedreht. Deshalb hab ich ihn nicht von vorn gesehen.«
Carl merkte selbst, wie seine Schultern um ein paar Zentimeter nach unten sackten.
»Der Typ war ziemlich groß und ziemlich gut gebaut, soweit man das erkennen konnte. Und er hatte total dunkle Sachen an. Einen Mantel oder 'ne lange Windjacke oder so was. Und dann hatte er so 'ne schwarze Kapuze auf, genau wie Peter. Und unter der Kapuze hab ich hellblondes Haar gesehen. Das war fast weiß. Und dann stand noch so 'ne große Flasche neben ihm.«
Hellblondes, fast weißes Haar, hatte sie gesagt, das war alles, und das reichte eigentlich auch. Wenn Carl recht hatte, dann war Curt Wads hellblonder Handlanger, den er in Halsskov gesehen hatte, ein richtiges Multitalent, dann wurde er nicht nur zum Lieferwagenfahren eingesetzt.
»Danke«, sagte Carl. »Du bist ein aufgewecktes Mädchen und hältst die Augen offen, und darüber bin ich sehr froh. Es war gut, dass du hergekommen bist.«
Verlegen wand sie sich ein bisschen.
»Hast du dir vielleicht auch gemerkt, ob er Handschuhe anhatte?«
»Ach ja«, sagte sie und hörte auf, sich zu winden. »Stimmt. Hatte er. Solche mit Löchern, da, wo die Knöchel sind.«
Carl nickte. Dann brauchten seine Kollegen die Flasche gar nicht nach Fingerabdrücken abzusuchen. Blieb nur die Frage, ob man die Herkunft dieses besonderen Reglers lokalisieren konnte, aber da hegte er starke Zweifel. Davon waren mit Sicherheit etliche im Umlauf.
»Wenn hier alles so weit okay ist, dann fahre ich ins Präsidium«, verkündete er einen Moment später im Wohnzimmer, aber Vigga hielt ihn fest.
»Zuerst unterschreibst du das hier. Die eine Kopie ist für dich, die zweite für den Anwalt und die dritte für mich.« Sie legte drei Papierbögen auf den Tisch. Absprache über Vermögensteilung stand in der Kopfzeile.
Er überflog den Text. Es war genau das, was sie am Vortag besprochen hatten. Wie schön, dann brauchte er das nicht selbst aufzusetzen.
»Prima, Vigga. Ich muss schon sagen, du hast wirklich an alles gedacht. Das Geld, die Besuche bei deiner Mutter, einfach alles. Die Behörden werden sich freuen zu erfahren, dass du mir bei der Angelegenheit acht Wochen Ferien im Jahr gewährst. Sehr großzügig.« Er lachte spöttisch und setzte seine Unterschrift neben ihr Gekrakel.
»Und jetzt noch das Scheidungsbegehren.« Sie schob ihm ein offiziell aussehendes Dokument hin, das er ebenfalls unterschrieb.
»Danke, mein alter Geliebter.« Schluchzte sie etwa?
Das hatte sie jedenfalls nett ausgedrückt, auch wenn ihn der Geliebte sogleich schmerzlich an Monas Rolf erinnerte. Weil er so viel um die Ohren hatte, hatte er die Enttäuschung bisher ziemlich verdrängt, aber sie saß tief. Schließlich war Mona nicht irgendwer.
Er schnaubte. Als alten Geliebten bezeichnete ihn Vigga. War das nicht reichlich banal als Abschiedssalut für eine so stürmische und exotische Ehe wie die ihre?
Vigga reichte die Papiere einem lächelnden Gurkamal, der sich verneigte und Carl wie auf Kommando die Hand hinstreckte. Damit schien der Handel abgeschlossen zu sein.
»Danke für die Frau«, sagte der Turbanträger, und Carl fand seine Formulierung irgendwie witzig.
Vigga lächelte. »Und da wir nun den Papierkram erledigt haben, kann ich dir ja sagen, dass ich nächste Woche bei Gurkamal im Geschäft einziehe.«
»Ja, dort ist es sicher wärmer als im Gartenhaus«, sagte Carl.
»Außerdem habe ich das Gartenhaus gestern Abend für sechshunderttausend verkauft«, fuhr Vigga fort. »Und ich habe die Absicht, die letzten hunderttausend selbst zu behalten, die ich mehr für das Haus bekommen habe, als wir in der Absprache festgelegt haben. Was sagst du dazu?«
Carl war sprachlos. Dieser Gurkamal hatte ihr tatsächlich kaufmännisches Denken beigebracht, und zwar schneller, als ein Dromedar rennen konnte, um es in Assads Terminologie auszudrücken.
»Gut, dass ich dich treffe«, sagte Laursen auf der steinernen Treppe der Rotunde zu Carl. »Begleitest du mich nach oben?«
»Hm, na gut. An sich war ich auf dem Weg zu Marcus Jacobsen.«
»Ich komme gerade aus seinem Büro, sollte ihm was zu essen bringen. Er sitzt in einer Besprechung. Und geht's dir sonst gut, Carl?«, fragte Laursen auf dem Weg in die oberste Etage.
»Prima. Abgesehen davon, dass Montag ist, dass meine künftige
Weitere Kostenlose Bücher