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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Den Weg zum Aufzug im vierten Stock. Den Knopf, auf den sie gedrückt hatte. Die Erleichterung, nur wenige Sekunden warten zu müssen, bevor die Tür aufglitt.
    Aber das, was auf diese Erleichterung gefolgt war, steckte nun wie ein giftiger Stachel in ihr.
    Sie hatte den falschen Aufzug gewählt. Hätte sie doch nur den Fahrstuhl am anderen Ende der Abteilung genommen, dann hätte sie ihr Leben wie bisher weiterführen, hätte sich noch jahrelang von den anonymen Wohntürmen Nørrebros und dem Labyrinth der Straßen verschlucken lassen können.
    Sie schüttelte den Kopf. Mit einem Schlag war alles verändert. Mit einem Schlag hatte auch der letzte Rest von Nete Rosen aufgehört zu existieren. Nun war sie wieder Nete Hermansen, das Mädchen von der Insel Sprogø.
    Und zwar mit allem, was das bedeutete.

    Acht Wochen nach dem Unfall hatte man sie ohne rührselige Abschiedsszenen aus dem Krankenhaus entlassen. In den Monaten darauf hatte sie allein auf Havngaard gelebt. Die Rechtsanwälte waren sehr beschäftigt gewesen, denn das Vermögen war groß. Gelegentlich lagen Fotografen am Straßenrand und im Gebüsch auf der Lauer. Wenn eine der markantesten Persönlichkeiten des dänischen Wirtschaftslebens bei einem Autounfall ums Leben kam, erschien das auf der ersten Seite, denn was verkaufte sich besser als eine plötzlich wohlhabende Witwe mit Krücken und gequälter Miene. Aber Nete zog die Gardinen zu. Sie wusste genau, was die Leute dachten. Dass es dieses Fräulein Niemand, das sich vom Versuchslabor bis ins Bett des Chefs hochgeschlafen hatte, nicht verdiente, dort zu sitzen, wo es saß. Ihr war klar, dass man immer nur ihres Mannes und des Geldes wegen vor ihr gekrochen war. Dass sie selbst nie die geringste Rolle gespielt hatte.
    Und so fühlte es sich noch immer an. Selbst manche der Krankenschwestern, die die häusliche Pflege übernommen hatten, strahlten Verachtung aus. Aber Schwestern dieser Sorte ließ sie rasch auswechseln.
    In diesen Monaten wurde die Geschichte von Andreas Rosens tödlichem Autounfall durch Zeugenaussagen und Gerüchte ständig erweitert. Wie eine Schlinge zog sich die Vergangenheit um sie zusammen, und als man sie zur Polizeiwache in Maribo brachte, standen die Dorfbewohner grinsend an den Fenstern. Alle im Dorf wussten schließlich, dass diejenigen, die im Haus gegenüber der Unglücksstelle wohnten, unmittelbar bevor der Wagen die Böschung durchbrach und senkrecht im Wasser landete, im Wageninnern eine Art Handgemenge gesehen hatten.
    Aber Nete klappte nicht zusammen, und sie bekannte weder vor den Dorfbewohnern noch vor der Obrigkeit ihre Schuld. Nur innerlich.
    Nein, sie brachten sie nicht ins Wanken, denn Nete hatte längst gelernt, aufrecht zu stehen, auch bei stärkstem Gegenwind.
    Und so, schweigend und aufrecht, war sie schließlich fortgegangen. Hatte einfach alles hinter sich zurückgelassen.

    Von den Fenstern im Schlafzimmer konnte sie den See sehen. Sie entkleidete sich langsam und setzte sich dann ruhig auf den Hocker vor dem Spiegel. Die Narbe über dem Schambein war dort, wo die Schamhaare nicht mehr so dicht wuchsen, deutlich zu sehen, ein unscheinbarer, lila-weißlicher Strich, der die Trennlinie zwischen Glück und Unglück, zwischen Leben und Tod markierte. Die Narbe, die sie von der Sterilisierung zurückbehalten hatte.
    Sie rieb sich über den unfruchtbaren Bauch und biss die Zähne zusammen. Rieb, bis die Haut brannte und die Beine zitterten, während ihr Atem immer schneller ging und die Gedanken sich überschlugen.
    Es war erst vier Stunden her, dass sie mit dem ›Herbstkatalog 1987‹ in der Küche gesessen und sich in einen hellroten Pullover auf Seite fünf verliebt hatte.
    »Exklusive Strickmode« war dort verlockend angekündigt worden. Und sie hatte sich dieses hellrote Kunstwerk angesehen und, angeregt vom Kaffee, gedacht, dass sie in einem solchen Strickpullover und einer dazu passenden Hemdbluse mit Schulterpolstern vielleicht in eine neue Zeit hinübergleiten könnte. Denn auch wenn die Trauer groß war, lagen doch noch Jahre vor ihr, die gelebt werden wollten, das war ihr bald nach dem Unfall bewusst geworden.
    Deshalb hatte sie vor zwei Stunden mit ihrer Einkaufstüte im Aufzug gestanden und sich gefreut. Genau vor einer Stunde und neunundfünfzig Minuten hatte der Aufzug im dritten Stock gehalten. Ein großer Mann war eingetreten und hatte sich so dicht neben sie gestellt, dass sie seinen Geruch einatmen musste.
    Er hatte sie keines Blickes

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