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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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klar?!«
    Assad schob die Unterlippe vor und nickte.
    »Und noch eins, Assad. Kannst du mir endlich erklären, was du dermaßen früh hier im Präsidium treibst? Da es bei Nacht und Nebel stattfindet, ist es vielleicht ebenfalls etwas, wovon ich nichts wissen darf? Und warum darf ich dich nicht bei dir zu Hause im Kongevejen besuchen? Warum wirst du gegen Männer handgreiflich, die wie du aus Nahost stammen? Und wieso geratet ihr beiden, du und Samir Ghazi von der Polizei Rødovre, immer sofort aneinander?«
    »Das ist was Privates, Carl.«
    Er sagte das so brüsk, dass Carl innerlich zurückzuckte. Hier war gerade sehr deutlich eine ausgestreckte Hand zurückgewiesen, eine Grenze aufgezeigt worden. Egal, wie viel sie beide verbinden mochte, Carl würde nicht näher an ihn herankommen. Carl gehörte ganz einfach nicht zu der Welt, die Assad betrat, wenn er sich beim Wachhabenden abmeldete. Das Schlüsselwort lautete Vertrauen, und Vertrauen hatte Assad nicht.
    »Hab ich's mir nicht gedacht, dass ihr beiden Süßen gemütlich zusammensitzt und schwatzt!«, ließ sich da eine bekannte Stimme vernehmen.
    Lis stand verführerisch lächelnd in der offenen Tür und blinzelte ihnen zu. Saublödes Timing.
    Carl sah zu Assad. Der hatte schon auf bequeme Haltung und entzücktes Grinsen umgeschaltet.
    »Ach, mein armes Schätzchen«, sagte Lis, kam ein paar Schritte näher und streichelte Assads blauschwarze Wange. »Hast du dich auch erkältet? Du kannst ja kaum noch normal schnaufen! Und diesen Mann lässt du arbeiten, Carl? Siehst du nicht, wie hilflos der Ärmste ist?« Sie drehte sich zu Carl um und blickte ihn aus ihren blauen Augen vorwurfsvoll an. »Ich soll dir übrigens von Ploug ausrichten, dass er draußen auf Amager auf dich wartet.«

6
    August 1987
    E rst wenn sie am Ende der Korsgade angelangt war und sich dort unter den Kastanien auf die Bank vor der Haustür setzte, den Blick auf den Peblinge-See gerichtet, fühlte sie sich von den missbilligenden Blicken ihrer Mitmenschen und von der Last des eigenen Körpers befreit.
    Das Straßenbild beherrschten schöne, wohlgeformte Körper. So empfand sie es jedenfalls, und damit hatte sie es schwer. Besonders an einem Tag wie heute.
    Sie schloss die Augen, fasste sich an den Unterschenkel und massierte ihn. Legte die Fingerspitzen auf die vorstehenden Knochen und dachte an ihr altes Mantra: »Ich bin gut genug. Ich bin gut genug.« Aber das klang heute hohl, egal, wie sie es betonte. Es war auch lange her, dass sie sich dieser Worte zuletzt bedient hatte.
    Sie neigte sich vornüber, schlang die Arme um die Knie. Die Füße trippelten währenddessen wie Trommelstöcke. Das half gegen das widerliche Stechen im Bein.
    Ein Ausflug zum Kaufhaus Daell und zurück zum Peblinge Dossering war jedes Mal wieder anstrengend und verursachte Schmerzen - in dem zertrümmerten Schienbein, das den Fuß einwärts presste, im Fußgelenk, das die Zentimeter ausgleichen musste, die das Bein kürzer geworden war, und in der Hüfte, die versuchte zu entlasten.
    Es tat weh, aber das war nicht das Schlimmste. Wenn sie die Købmagergade hinunterging, blickte sie nur starr geradeaus und gab sich größte Mühe, nicht zu humpeln, wohl wissend, dass das nicht gelang. Und das zu akzeptieren, war schwer. Noch vor zwei Jahren war sie eine attraktive Frau gewesen, jetzt fühlte sie sich wie ein Schatten ihrer selbst.
    Schatten leben gut im Schatten, hatte sie bis jetzt geglaubt, und die Großstadt eignete sich dafür besser als das platte Land. Deshalb war sie vor knapp zwei Jahren hierhergezogen, in diesen Kopenhagener Stadtteil, weg von der Scham und der Trauer und der eisigen Kälte, mit der ihr die Menschen auf Lolland begegnet waren.
    Sie war von Havngaard weggezogen, um zu vergessen.
    Aber nun war eben das passiert!
    Als zwei junge, in lebhafte Unterhaltung vertiefte Frauen ihre Kinderwagen an ihr vorbeischoben, presste Nete die Lippen zusammen.
    Sie wandte den Blick ab und sah hinüber zu einem der unangenehmen Gesellen des Viertels, einem Typen, der mit einer Killermaschine von Hund an ihr vorbeistolzierte. Dann wanderte ihr Blick weiter zu den Scharen von Wasservögeln auf dem See.
    Was war dieses Leben doch für ein endloser Albtraum! Vor einer Dreiviertelstunde hatten zwanzig Sekunden in einem Aufzug im Kaufhaus Daell ausgereicht, um sie in ihren Grundfesten zu erschüttern. Mehr hatte es nicht gebraucht. Zwanzig schicksalhafte Sekunden.
    Sie schloss die Augen und sah alles wieder vor sich.

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