Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
haben.«
»Ja, das habe ich mir gedacht.«
»Von dem, was wir im Geheimen Kampf durchführen, verträgt nur weniges, ans Licht zu kommen, aber darüber bist du dir natürlich im Klaren. Für uns steht viel auf dem Spiel.«
»Ja, das weiß ich.«
»Und viele in den eigenen Reihen würden sofort dafür plädieren, dass du von der Erdoberfläche verschwindest, falls herauskommen sollte, dass du deine Zunge nicht im Zaum hältst oder deine Arbeit nicht mit der gebührenden Sorgfalt ausführst.«
Er nickte. »Ja, das ist nur zu verständlich. Ich bin mir sicher, dass es mir selbst nicht anders gehen würde.«
»Dann bist du also gewillt, dich in die Verfahren einweihen zu lassen, was das Rekrutieren von Frauen angeht, deren Schwangerschaft unserer Ansicht nach abgebrochen werden sollte? Und bei denen wir erwägen, sie anschließend zu sterilisieren?«
»Das bin ich.«
»Wir benutzen in diesen Zusammenhängen eine eigene Terminologie. Wir haben Adressenlisten und wir haben speziell ausgearbeitete Methoden des Schwangerschaftsabbruchs. Sobald wir dich in diese Methoden eingewiesen haben, bist du vollgültiges Mitglied, ist dir das klar?«
»Ja. Was muss ich für meine Zulassung bei euch tun?«
Curt sah ihn lange schweigend an. Besaß der Mann den nötigen Willen? Blieben diese Augen auch dann ruhig, wenn er mit Gefängnis und Entehrung konfrontiert würde? Hatte er Rückgrat genug, um dem Druck von außen standzuhalten?
»Deine Angehörigen dürfen von nichts wissen, es sei denn, sie nehmen aktiv an unseren Eingriffen teil.«
»Meine Frau interessiert sich nicht für meine Arbeit, da kannst du ganz beruhigt sein.« Sein Gast lächelte. Curt hatte an diesem Punkt des Gesprächs auf ein solches Lächeln gehofft.
»Gut. Dann gehen wir jetzt in meine Praxisräume, wo ich dich von Kopf bis Fuß auf Abhörgeräte untersuchen werde. Danach musst du ein paar Informationen über dich selbst aufschreiben, die du keinesfalls veröffentlicht sehen möchtest. Ich bin mir sicher, dass auch du, wie die meisten Menschen, irgendeine Leiche im Keller hast, stimmt's? Das darf auch sehr gern etwas aus dem Bereich deiner ärztlichen Tätigkeit sein.«
Hier nickte sein Gast. Längst nicht alle taten das.
»Ich verstehe das so, dass ihr meine unschönen Geheimnisse kennen wollt, um etwas gegen mich in der Hand zu haben, falls ich kalte Füße bekomme.«
»Ja, und es wird doch wohl welche geben?«
Wieder nickte er.
»Jede Menge.«
Nachdem Curt den Mann untersucht und zugeschaut hatte, wie er seine Beichte unterschrieb, begann er mit den obligatorischen Ermahnungen zu Loyalität und Verschwiegenheit bezüglich des Tuns und der Grundgedanken der Bewegung. Als auch das den Mann nicht abzuschrecken schien, gab Curt ihm noch eine kurze Unterweisung darin, wie sich unauffällige, spontane Aborte provozieren ließen, und erklärte ihm, wie viel Zeit er zwischen solchen Behandlungen verstreichen lassen musste, um nicht die Aufmerksamkeit der Berufskollegen oder der Polizei zu erregen.
Dann dankte man und verabschiedete sich. Curt blieb mit dem erhebenden Gefühl zurück, ein weiteres Mal für das Wohl seines Vaterlands tätig gewesen zu sein.
Er schenkte sich einen Cognac ein, setzte sich an den Eichentisch und versuchte, sich zu erinnern, wie oft er selbst aktiv eingegriffen hatte.
Das waren inzwischen viele Fälle. Unter anderem der von Nete Hermansen.
Er ließ den Blick wieder zu ihrem Brief schweifen, der zuoberst auf dem Stapel lag. Zufrieden schloss er die Augen und überließ sich der Erinnerung an seinen allerersten und zugleich erinnerungswürdigsten Fall.
13
November 2010
A n diesem dunklen Novembertag wirkten die wenigen erleuchteten Fenster in den mächtigen Mauern des Polizeipräsidiums fast anheimelnd. Immer gab es Büros, wo noch gearbeitet wurde, weil die Fälle keinen Aufschub duldeten. Denn um diese nachtschlafende Zeit zeigte die Stadt Zähne, da wurde es gefährlich. Da bekamen die Prostituierten Prügel. Da gingen die Kerle zuerst gemeinsam auf Sauftour und dann mit dem Messer aufeinander los. Da suchten die Banden die Konfrontation. Wurden die Brieftaschen leer geräumt.
Carl hatte viele tausend Stunden in dem Gebäude zugebracht, während die Straßenlaternen brannten und anständige Bürger tief und fest schliefen. Aber das war nun auch schon eine Weile her.
Wenn er sich bei Monas Essenseinladung doch nur nicht so unwohl gefühlt hätte. Wenn er statt dieses missglückten Abendessens doch einfach auf
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