Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
mancher Frauen vorgenommen? Obendrein noch ohne deren Wissen?«
Mie Nørvig nahm den Teelöffel und rührte in der Tasse - was an sich unnötig war, denn der Kaffee war kalt und schwarz. So sah also ihre Antwort aus. Die Schlussfolgerungen für ihr weiteres Vorgehen mussten sie nun selbst ziehen.
»Gibt es denn irgendwelche Dokumente über diese Vereinigung, diesen Geheimen Kampf? Adressverzeichnisse, Patientinnenkarteien, Prozessakten?«
»Nein, nicht direkt. Aber ich habe Philips Akten und die Zeitungsausschnitte, die er gesammelt hat, in seinem alten Büro im Souterrain aufbewahrt.«
»Also, ehrlich gesagt, Mie, glaubst du, dass das eine gute Idee ist? Wem soll es nützen, diese alten Geschichten wieder aufzuwärmen?«, fragte ihr Lebensgefährte.
Darauf gab Mie Nørvig keine Antwort.
Stattdessen meldete sich Assad zu Wort, indem er mit gequältem Gesichtsausdruck seinen Arm hob. »Bitte entschuldigen Sie. Gibt es wohl eine Toilette, die ich benutzen könnte?«
Carl schreckte normalerweise augenblicklich vor Stapeln mit alten Unterlagen zurück, dafür hatte er seine Leute. Aber wenn der eine auf dem Lokus hockte und die andere im Hinterland das Büro bewachte, musste er eben doch selbst ran.
»Wo sollen wir denn suchen?«, fragte er unten im Souterrain Mie Nørvig, die dastand und sich umschaute, als wäre sie eine Fremde.
Er seufzte, als sie zwei Aktenschränke mit reihenweise Hängeordnern öffnete, aus denen die Papiere nur so herausquollen. Das Ganze war völlig unüberschaubar, und Carl hätte am liebsten einen Rückzieher gemacht.
Sie zuckte die Achseln. »Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr in diese Schränke geschaut. Seit Philip verschwunden ist, komme ich wirklich höchst ungern hier herunter. Natürlich habe ich daran gedacht, den ganzen Mist rauszuwerfen. Aber das sind ja vertrauliche Dokumente, die kann man nicht einfach so wegschmeißen. Ach, das ist so mühsam. Am liebsten schließe ich deshalb einfach die Tür und verdränge das alles. Im Haus ist ja Platz genug.« Sie hielt inne und sah sich wieder um.
»Ja, das ist wirklich eine ganze Menge«, nahm Herbert einen neuen Anlauf. »Vielleicht sollten Mie und ich das erst mal in aller Ruhe durchsehen. Wenn wir dann etwas finden, was für Sie interessant sein könnte, schicken wir es Ihnen zu. Sie müssten uns nur sagen, wonach wir suchen sollen.«
»Ach, jetzt weiß ich«, rief Mie Nørvig, ohne auf den Vorschlag ihres Lebensgefährten einzugehen, und deutete auf einen großen Rolladenschrank aus hellem Holz. Der untere Teil war von einer Jalousie verdeckt, im oberen Teil standen Kästen mit vorgedruckten Umschlägen, Visitenkarten und Formularen. Sie drehte den Schlüssel um. Wie das Fallbeil einer Guillotine fiel die Jalousie metallisch scheppernd herunter und gab den Blick auf weitere Unterlagen frei.
»Das da«, sagte sie und deutete auf ein blaues Einklebebuch mit Spiralbindung. »Das hat Philips erste Frau geführt. Deshalb sind auch nach 1973, als Philip und Sara Julie sich scheiden ließen, die Zeitungsausschnitte nicht mehr eingeklebt. Die liegen nur noch lose drin.«
»Aber Sie haben da reingeschaut, das verstehe ich doch richtig?«
»Natürlich. Später habe ich ja die Artikel reingelegt, die Philip mich ausschneiden ließ.«
»Und was wollen Sie mir zeigen?« Carl registrierte, dass Assad ins Zimmer kam. Blass sah er eigentlich nicht aus, sofern man das bei einem Menschen mit seiner Hautfarbe zweifelsfrei sagen konnte. Vielleicht hatte der Toilettenbesuch ja geholfen.
»Alles in Ordnung, Assad?«
»Nur ein kleiner Rückfall, Carl.« Er drückte sich vorsichtig auf den Bauch und deutete an, dass auch weiterhin mit unkontrollierten peristaltischen Bewegungen zu rechnen war.
»Hier«, sagte Mie Nørvig. »Der Artikel ist von 1980, und da ist der Mann, den ich erwähnt habe.« Sie deutete auf einen Zeitungsausschnitt. »Curt Wad. Ich konnte ihn nicht ausstehen. Wenn er hier war oder wenn Philip mit ihm telefonierte, war Philip anschließend immer ganz verändert. Dann konnte er richtig kompromisslos sein. Nein, das Wort ist falsch: Dann war er hart wie Stein, ohne jedes Gefühl. Dann sprach er immer eiskalt mit mir und unserer Tochter, ohne ersichtlichen Grund. Als habe sich seine Persönlichkeit verändert, denn normalerweise war er eigentlich ein ganz Lieber. Aber in solchen Momenten stritten wir uns.«
Carl warf einen Blick auf den Artikel. »Klare Grenzen etabliert Regionalgruppe in Korsør«, lautete die Überschrift
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