Carlotta, Band 4: Carlotta - Internat und Prinzenball (German Edition)
vererbt hat“, sagt Carlotta nachdenklich und schiebt sich ein weißes Gummibärchen in den Mund. „Gute Manieren hat er auch. Und was ist mit Harry und William? Hat Julian nicht erzählt, dass er oft mit den beiden spazieren gegangen und sozusagen mit ihnen verwandt ist?“
„Alles Lüge“, winkt Manu ab. „Damit wollte er sich garantiert nur wichtigmachen.“
Von Sofie kommt ein erneutes Stöhnen.
Carlotta kann es ihr nicht verdenken. Wenn es tatsächlich stimmt, was die Barbies herausgefunden haben, wird manches klar. Woher soll Julian Polo und Tennis spielen können, wenn er in einer Autowerkstatt aufgewachsen ist? Nur weil er eine alte Tante gehabt hat, die anscheinend großen Wert auf Ausbildung, gute Kleidung und Etikette gelegt hat, ist er noch lange kein Mitglied des britischen Hochadels. Adlige sind auch nicht automatisch superintelligent – wie seine megamiesen schulischen Leistungen eindrucksvoll beweisen.
Carlotta kann nicht anders und lacht los.
Sofie mustert sie mit einem empörten Blick.
„Sorry“, presst Carlotta hervor. „Tut mir echt leid, aber … ich finde diese Story einfach unglaublich! Julian hat uns alle an der Nase herumgeführt! Was sagen die Barbies denn dazu?“
„Die sind natürlich stinksauer“, antwortet Manu mit einem breiten Grinsen. „Immerhin haben die sich ziemlich heftig an ihn rangeschmissen. Und das, obwohl er die ganze Zeit total unter ihrem Niveau gewesen ist, wie sie jetzt festgestellt haben. Ich glaube, er hat ihren Barbie-Stolz zutiefst verletzt.“
Carlotta lässt die Gummibärchenschale herumgehen. Manu greift sofort zu. Sofie schüttelt den Kopf. Anscheinend ist ihr die Enthüllung auf den Magen geschlagen. Arme Sofie … Carlotta gibt sich große Mühe, nicht mehr zu lachen.
Am Abend hat sich der Frust in Zimmer 128 ein wenig gelegt. Die Freundinnen haben gemeinschaftlich die Fensterbänke aufgeräumt, nachdem Frau Heselein sie noch einmal freundlich daran erinnert hat, und es sich anschließend auf Manus Bett gemütlich gemacht. Jetzt teilen sie sich eine Tüte Popcorn, die sie am Internatskiosk gekauft haben. Immer wieder schüttelt Sofie ihren Kopf.
„Wie konnte ich nur so dumm sein?“, jammert sie.
„Liebe macht blind und blöd“, mümmelt Manu, die inzwischen sogar so etwas wie Verständnis für Julian aufbringen kann. „Angeblich ist er bei sich zu Hause schon von zwei Schulen geflogen, haben die Barbies erzählt. Und er hatte ziemlichen Stress, weil er geschwänzt hat. Das macht ihn mir direkt sympathisch.“
„Heißt das, du wirst jetzt doch mit ihm die Polonaise eröffnen?“, fragt Carlotta neugierig.
„Klar. Wieso nicht?“, meint Manu. „Bevor ich hier zwangseingewiesen wurde, bin ich auch von der Schule geflogen. So was verbindet!“
Carlotta wirft ihr ein Popcorn an den Kopf und grinst. „Ihr werdet das Traumpaar unseres Balls!“
Ein leises Rauschen kommt von Manus Laptop und erinnert sie daran, dass sie vergessen hat sich auszuloggen.
„Soll ich ihn ausschalten?“, fragt sie Manu, aber die schüttelt den Kopf.
„Nee, ich will nachher noch ’ne Runde spielen.“
Carlotta steht auf und sieht, dass in ihrem Postfach eine neue Nachricht ist. Der Absender ist Niko. Ihr Herz macht einen dreifachen Rittberger. Besonders schreibwütig scheint der Gute allerdings nicht zu sein, stellt sie etwas enttäuscht fest. Seine Mail besteht nur aus einem einzigen Satz – „The Adventures of Woody, Part One“ –, aber er hat eine Bilddatei angehängt. Carlotta öffnet sie und lächelt. Niko muss die Aufnahme gemacht haben, bevor er ihr Woody geschenkt hat. Die Holzpuppe hat den Kopf schräg gelegt und streckt ihr ein Gänseblümchen entgegen. Ist das süß! Am liebsten würde sie das Foto sofort ausdrucken, aber leider hat Manu keinen Drucker. Sie tippt ein schnelles „Danke schön! J“ an Niko und schickt es ab, dann loggt sie sich endgültig aus.
In den kommenden Tagen wird aus dem milden Spätsommerwetter schlagartig Herbst. Carlotta ist froh, dass ihre Mutter rechtzeitig ein Paket mit zwei neuen Pullis und einem Schal geschickt hat. Seit Tagen spürt sie schon ein Kratzen im Hals. Fehlt noch, dass daraus eine Erkältung wird. Bald ist der Ball. Nicht auszudenken, wenn sie kurz vorher noch krank würde!
Im Schloss hat es sich inzwischen blitzschnell herumgesprochen, dass Julians Herkunft nicht ganz so erlesen ist, wie alle dachten. Die, die es wissen, spalten sich in drei Lager. Den einen ist es vollkommen egal; die
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