Carlotta, Band 4: Carlotta - Internat und Prinzenball (German Edition)
hinunter, durchqueren die Halle und den Speisesaal auf Zehenspitzen und schlüpfen schließlich in der Schlossküche durch den Notausgang ins Freie – nicht ohne vorher ein kleines Fenster zu öffnen, damit sie später wieder hineinkommen können. Dann stehen sie draußen.
Sofort werden sie von einer Windböe erfasst, die sie fast von den Füßen reißt. Alles erinnert Carlotta an die Nacht in der fünften Klasse, als Manu schon einmal auf Abwegen war, weil sie unbedingt drei kleine Hundebabys retten musste. Der Sturm, der Regen, die Dunkelheit … Unglaublich, dass sich das jetzt wiederholt! Sie schüttelt den Kopf und zurrt ihren Schal und die Kapuze ein bisschen fester.
„Wohin wollen wir?“, fragt Sofie.
Carlotta zuckt die Achseln. Wenn sie das nur wüsste!
Als direkt vor ihnen plötzlich ein greller Lichtstrahl aufleuchtet, hat sie das Gefühl, ihr Herz würde von einer Millisekunde zur nächsten stehenbleiben.
„Meine Güte, Mädchen! Was macht ihr denn hier!“
Carlotta hält sich eine Hand vors Gesicht, um nicht geblendet zu werden. Hat sie gerade richtig gehört? War das die Stimme des Spargels?
Sofie versteckt sich hinter ihr und krallt ihre Nägel durch den dünnen Jackenstoff in Carlottas Arm.
„Au!“, protestiert Carlotta.
„Pardon!“ Sofie lässt sofort los.
„Carlotta und Sofie!“ Es ist tatsächlich Herr Dunker, der mit einer riesigen Taschenlampe auf sie zukommt, die Ähnlichkeit mit einem Suchscheinwerfer hat.
„Ähm, wir können das erklären …“, setzt Carlotta an. „Also, das ist so –“
Der Spargel unterbricht sie. „Ihr sucht Manuela?“
Carlotta und Sofie nicken.
Herr Dunker lässt die Taschenlampe sinken und zupft an seinem linken Ohrläppchen. „Das halbe Schloss sucht sie“, sagt er. „Sie und Julian. Aber ihr habt hier nichts verloren. Geht bitte wieder auf eure Zimmer.“
„Kommt nicht in Frage!“ Carlotta richtet sich auf und holt tief Luft. „Manu ist unsere Freundin. Wenn jemand sie findet, dann wir!“
„Oui!“ Sofie nickt entschlossen.
„Ausgeschlossen!“, sagt der Spargel streng. „Bitte geht wieder hinein. Die Eingangstür ist offen.“
Carlotta und Sofie senken die Köpfe und stapfen kleinlaut um eine Ecke, doch kaum sind sie außer Hör- und Sichtweite des Lehrers, zischt Carlotta: „Los, schnell! Links abbiegen und hinter den Bäumen entlang!“
Im Schutz der Dunkelheit flitzt sie los und hofft, dass Sofie ihr folgt.
Sie muss sich keine Sorgen machen: Sofie ist so dicht hinter ihr, dass sie unsanft gegen Carlottas Rücken prallt, als die abrupt stehen bleibt und sich hinter einem Busch versteckt.
„Mon Dieu!“, ruft Sofie erschrocken.
„Pscht!“, macht Carlotta. „Sei still!“
Sie lugt zwischen Blättern und Zweigen hindurch und sieht mehrere Lichtkegel, die sich durch den Park bewegen. Ab und zu ertönt ein Ruf, der allerdings ohne Antwort bleibt. Sind wirklich alle Lehrer auf der Suche nach Manu und Julian? Es sieht fast so aus.
Der Sturm hält inne, um für die nächste Böe neuen Atem zu schöpfen. In der kurzen Pause, bevor er wieder loslegt, hört Carlotta ganz in der Nähe plötzlich ein Niesen und kurz danach einen unterdrückten Fluch. Manu war es nicht, da ist sie sich ziemlich sicher. Es hörte sich eher nach einem Jungen an. Sie späht in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. Der Wind treibt eine Wolke vor sich her. Das Mondlicht gibt den Blick auf eine schwarz gekleidete Gestalt frei, die genau wie Carlotta und Sofie hinter den Büschen des Schlossparks Deckung gesucht hat. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzt etwas auf und reflektiert den Mondschein. Zum zweiten Mal an diesem Abend glaubt Carlotta nicht richtig zu sehen. Zuerst der Spargel und jetzt –
„Niko? Bist du das?“
Der Schatten duckt sich ein wenig tiefer. Carlotta fasst sich ein Herz und bewegt sich in Zeitlupe darauf zu. Als sie die Hand ausstreckt und die Gestalt schon fast berühren kann, bleibt sie stehen.
„Niko!“, wiederholt sie eindringlich flüsternd. „Ich weiß, dass du das bist!“
„Wieso? Hast du vielleicht ein Nachtsichtgerät?“, kommt eine leise Stimme zurück.
„Ich hab dich an deinem Teleobjektiv erkannt!“ Carlotta hält sich eine Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. Spielen denn heute alle verrückt? Manu und Julian hauen ab. Nikolas wandert mit seiner Kamera durch den Park. Und sie und Sofie stecken mittendrin. Zwischen all den Lehrern und Verrückten …
Niko wendet ihr sein Gesicht
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