Carlotta steigt ein
Patrick», murmelte sie.
«Ich wünschte, er wäre nie in den Ruhestand getreten. Er konnte Eugene immer
ins Gewissen reden.» Sie wandte sich wieder ihrem Strickzeug zu, und einen
Augenblick lang dachte ich, das Gespräch sei beendet, aber dann sagte sie:
«Dieses Taxifahren, ist das gefährlich für Sie?»
«In Boston Taxi zu fahren ist
immer gefährlich.»
«Wird es Ihnen helfen, meinen
Bruder zu finden?»
«Wenn Sie wollen, daß ich
weitermache, ist das die einzige Spur, die ich habe. Ich vermute, daß Ihr
Bruder etwas Gesetzwidriges getan hat. Ich vermute, es hat mit einem
Taxifahrer-Verein zu tun. Ich kann nicht dafür garantieren, aber falls ich das
Vertrauen der Fahrer gewinne, erzählen sie mir vielleicht manches. Ihr Bruder
könnte sich versteckt halten. Er könnte von der Polizei für eine Vernehmung
gesucht werden. Vom FBI.»
Im Grunde hielt ich es für
wahrscheinlicher, daß er von der IRA gesucht wurde, nicht weil er etwas getan
hätte, sondern weil er etwas unterlassen hatte, nämlich das Geld
weiterzuleiten. Das behielt ich jedoch für mich, um Margaret keine Angst
einzujagen. Ich habe einmal diese BBC-Dokumentation gesehen, und bei einer
Szene gefror mir das Blut in den Adern. Eine Truppe IRA-Soldaten, mit
Maschinengewehren bewaffnet, marschierte durch Scharen von jubelnden Zivilisten.
Die «Soldaten» waren nicht zu erkennen, sie trugen schwarze Kapuzen mit
Sehschlitzen. Während neun der Provos ihre Maschinengewehre in den Himmel
abfeuerten, schoß einer ganz ruhig einem Informanten den Kopf in Stücke. Ich
weiß noch, daß ich mich fragte, was das Fernsehteam sich wohl dabei dachte,
warum sie nicht mit dem Filmen aufgehört und irgend etwas getan hatten, um
diesem armen Menschen das Leben zu retten. Das war die einzige Hinrichtung, die
ich je gesehen habe, bei der nicht die Verurteilten, sondern die Henker Masken
trugen.
Margaret seufzte. «Egal», sagte
sie, «wir müssen dabeibleiben. Was sie machen, das muß irgendwo ein Ende
haben.»
«Ich bleibe mit Ihnen in
Verbindung.»
«Ich bin so müde», sagte
Margaret quengelig, «bis in die Knochen hinein müde, wie man eben wird, wenn
man den Kampf ganz von vorne beginnen muß, den man schon gewonnen glaubte.
Hundemüde, und ich wünschte nur, sie ließen mich heim.»
Ich senkte die Stimme. «Was
soll ich mit dem Geld machen?»
«Es vor den Provos verbergen.
Lassen Sie es nicht in deren blutbeschmierte Dreckshände geraten. Ist es dort
sicher, wo Sie es versteckt haben?»
Vor meinem geistigen Auge
erschien das Katzenklo. «Ich glaube schon. Ja.»
«Dann lassen Sie es dort,
lassen Sie es. Ich will es nicht. Du lieber Himmel, bin ich müde.» Sie schloß
die Augen, und das Strickzeug fiel ihr auf die Brust. «Ich weißt nicht weiter,
aber Sie müssen weitermachen. Bestimmt, machen Sie weiter. Ich kann nicht nach
ihm suchen, so ans Bett gefesselt, aber ich habe so ein ungutes Gefühl bei der
Sache. Wenn er in der Nähe wäre, hätte er gehört, was passiert ist. Er wäre zu
mir gekommen. Er war immer ein guter Mensch, immer gut...»
Sie schlief beim Reden ein, was
mich so aus der Fassung brachte, daß ich eine Krankenschwester aufsuchte, die mir
versicherte, das sei eine ganz normale Folge der Medikamente, und Miss Devens’
Gehirnerschütterung sei zwar geringfügig, aber der behandelnde Arzt sei dennoch
der Meinung, ein paar weitere Tage unter Beobachtung könnten nichts schaden.
Margaret hatte offenbar ihre Krankenversicherung immer pünktlich bezahlt.
Mir war das nur recht. Margaret
im Krankenhaus, das war auch ohne Bewachung immer noch sicherer als Margaret zu
Hause...
Der Toyota, eine Zeitlang mit
dem Autopilot unterwegs, erreichte sein Ziel, und Paolina katapultierte mich in
die Gegenwart zurück. Sie führte mich stolz mit Hilfe der Karte, die sie am
Eingang bekommen hatte, in dem zoologischen Garten herum. Manche Teile waren
sehr schön, weiträumig, offen und sauber. Andere waren wie diese schrecklichen
alten Zoos, wo die Tiere in so engen Eisenkäfigen gefangen waren, daß sie sich
kaum bewegen konnten, nur hin und her, hin und her.
Paolina mochte das riesige,
eingezäunte Gehege mit den sibirischen Tigern am liebsten. Eine Mama und drei
Junge. Paolina gibt allen Tieren im Zoo einen Namen. Mit diesem Spiel hat sie
vor Jahren angefangen, als ich sie zum erstenmal zum Franklin-Park mitgenommen
habe, und inzwischen hat es Tradition. Sie interessiert sich nicht für die
richtigen Tiernamen und hat nur Verachtung für die Schilder
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