Caroline
welchen Fall?«, erkundigte ich mich.
»Vielleicht möchte sich Hedwige Larue mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Ich habe keine Visitenkarte.«
Das fasste er zu Recht als Zurückweisung auf und reagierte gereizt. Er nahm eine Serviette von einem verlassenen Tisch neben uns und zog einen Kugelschreiber heraus. »Dann schreiben Sie mir eben Ihren Namen und Ihre Adresse auf, oder können Sie auch nicht schreiben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin inkognito hier.«
Drisman runzelte die Stirn. »Haben Sie eigentlich eine Einladung?«
»Nein, deshalb gehe ich jetzt auch besser. Vielen Dank für das Buch.« Ich nickte Drisman freundlich zu und ging. Er blieb verdutzt zurück.
»Dummkopf!«, schimpfte Nel im Hotelfoyer. »Wir erregen viel zu viel Aufmerksamkeit!«
»Keine Sorge«, beruhigte ich sie. »Ich bin schließlich Walter Gieseking.«
Die Literaturkritik lobte an jenem Wochenende Traum eines Mädchens über den grünen Klee. Hedwige Larue habe mit einem meisterlichen Federstrich sämtliche Erwartungen, die ihr erster Roman geweckt habe, erfüllt, sei literarisch gereift und habe den Gipfel der niederländischen Literatur erklommen.
Kleine Geheimnisse, die Übersetzung von Hidden Strings, erschien eine Woche später. Vielleicht weil er von einer ausländischen Autorin stammte, schenkte man dem Roman Sara Baswins weniger Aufmerksamkeit als Traum eines Mädchens, dem man Betrachtungen über halbe Seiten hinweg, Zeitschriftenreportagen und Fernsehinterviews widmete.
Eine Woche später war immer noch nichts passiert. Anscheinend wurden Übersetzungen ausländischer Romane und niederländischsprachige Literatur von unterschiedlichen Kritikern rezensiert. Oder die Ausländer wurden weniger sorgfältig gelesen.
Nel wurde allmählich ungeduldig. »Nichts passiert und uns sind die Hände gebunden. Was ist denn los mit diesen Kritikern?«
»Die Zeitungen kriegen jede Woche bestimmt hundert Bücher zur Besprechung geschickt«, sagte ich. »Weißt du, wie viele Neuerscheinungen es jedes Jahr gibt?«
»Also müssen wir darauf warten, bis irgendein intelligenter Bücherwurm einen Leserbrief schreibt, weil ihm etwas Merkwürdiges aufgefallen ist? Bei so vielen Büchern pro Jahr kann das wohl noch eine Weile dauern.«
Ich trank Tee und schaute durch das Küchenfenster hinaus in den kahlen Dezembergarten. Sämtliche Insekten und auch Eichhörnchen und Feldhamster hockten jetzt in irgendwelchen gemütlichen Bauten und überwinterten, wenn man dem Geburtstagskalender glauben durfte, den Nel auf der Toilette aufgehängt hatte. Auch ich hatte manchmal nicht übel Lust auf einen behaglichen Winterschlaf. Mitten in der freien Natur auf dem Land ist man sich des Winters stärker bewusst als in Amsterdam. Wir hatten herbstliche Regenfälle gehabt und starke Stürme und sogar ein paarmal Nachtfrost. Ich hatte mir Holzschuhe für den Garten gekauft, musste aber sofort feststellen, dass sich der Spann nur mühsam an Klompen gewöhnt.
»Du bist ein intelligenter Bücherwurm«, fiel mir plötzlich ein.
»Vielen Dank. Soll ich einen Leserbrief schreiben?«
»Vielleicht geht es auch telefonisch. Ich müsste die Nummer doch noch irgendwo haben.«
Ich suchte mein Adressbuch heraus. Fred Brendel war noch nicht durchgestrichen.
»Ich bin’s, Max Winter«, sagte ich kurz darauf in den Hörer. »Ich hoffe, du kannst dich noch an mich erinnern.«
»Na klar.« Fred Brendel lachte. »Ich habe gehört, dass du auf’s Land gezogen bist.«
»Ich hätte da vielleicht wieder einen heißen Tipp für dich.«
»Prima. Seit der Geschichte mit dem General und den UN-Soldaten habe ich kaum mehr etwas Spektakuläres in den Fingern gehabt. Worum geht es?«
»Um Plagiat. Hast du den neuen Roman von Hedwige Larue gelesen, Traum eines Mädchens?«
»Nein.« Wieder lachte er. »Ich glaube auch nicht, dass mich ein Buch mit einem solchen Titel interessiert. Ich sollte mich schämen. Warum?«
»Nun, CyberNel hat es gelesen und dabei ist ihr etwas Merkwürdiges aufgefallen. Versprich bitte, uns aus der Sache herauszuhalten, aber Nel hat diese Woche auch die Übersetzung des Romans einer englischen Schriftstellerin gelesen und dabei festgestellt, dass das Buch der Larue eine fast wörtliche Kopie davon ist.«
Brendel schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Jetzt mach mal halblang. Das kann doch nicht wahr sein. Wie heißt denn dieses andere Buch?«
»Kleine Geheimnisse, von Sara Baswin. Der englische Titel heißt Hidden Strings. Ich habe mir
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