Caroline
alle beide angeschaut und meiner Meinung nach hat CyberNel Recht. Die Geschichte ist genau dieselbe, nur die Namen wurden geändert und aus der Grafschaft Kent ist das Gooiland geworden.«
»Und das fällt niemandem auf?«, fragte er ungläubig.
»Na ja, beide Titel sind gerade erst erschienen, aber trotzdem glaube ich, dass du schnell reagieren solltest. Ein intelligenter Leser und schon bricht die Hölle los, aber mit ein bisschen Glück kannst du eine Sensationsstory landen. Geh in den nächsten Buchladen und kauf sie alle beide, dann wirst du es selbst sehen.«
»Und wer hat da bei wem abgekupfert?«
Ich ließ ein abfälliges Lachen hören. »Das lässt sich ganz einfach feststellen. Schau im Impressum nach. Die englische Ausgabe ist letztes Jahr erschienen, das Buch der Larue gerade erst vor zwei Wochen.«
»Wow.« Wieder blieb es eine Weile still, während er in seinem Gehirn nach dem Haken an der Geschichte suchte. »Max?«
»Ja?«
»Was hast du damit zu tun?«
»Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul«, antwortete ich.
»Ich dachte mir schon, dass du so etwas sagen würdest. Ich würde mich gern demnächst mal mit dir unterhalten.«
»Kein Problem. Ich wohne jetzt an der Linge.« Ich gab ihm die Telefonnummer und fügte hinzu: »Aber halte uns bitte da raus.«
Am nächsten Morgen stand es auf der Titelseite des Algemeen Dagblad. Fred ließ sich ausführlich darüber aus, er musste die halbe Nacht mit Lesen und Schreiben verbracht haben, hatte gleich lautende Passagen aus den beiden Büchern nebeneinander abdrucken lassen und zweifellos bereits an entsprechenden Stellen den nötigen Staub aufgewirbelt, indem er diverse Betroffene um einen Kommentar bat.
Die Larue hatte Brendel nicht zu fassen bekommen und ihr Agent Hein Drisman verweigerte eine Stellungnahme. Herausgeber Klausman von Mirabel behielt einen kühlen Kopf und beschränkte sich auf die förmliche Bemerkung, dass seinen Verlag keine Schuld träfe und man sie keinesfalls dafür verantwortlich machen könne. Brendel zitierte Klausman wörtlich: »Natürlich habe ich den Vertrag mit Juffrouw Larue in diesem Moment nicht vorliegen, doch jeder normale Vertrag enthält eine Gewährleistungsklausel, unter der der Autor erklärt, dass er das ausschließliche Urheberrecht an dem Werk innehat und er den Herausgeber von jeglichen Forderungen Dritter bezüglich des Inhalts seines Werkes entbindet.«
»Hetty wird sich freuen, dass ihr Herausgeber seine Autorin und Miteigentümerin jetzt Juffrouw Larue nennt«, sagte Nel, die über meine Schulter hinweg mitlas.
»Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.«
»So sieht’s aus.«
Der Übersetzer von Sara Baswins Buch war nicht erreichbar, doch ein Lektor des Verlages erklärte aus dem Stegreif, dass, falls sich diese Sache als wahr herausstelle, die Schriftstellerin nicht nur mit einer saftigen Schadensersatzklage seitens seines Verlages, sondern auch von Sara Baswin und Penguin Books in London rechnen müsse.
Ein Jurist der Zeitung erläuterte die rechtlichen Konsequenzen, die ein Plagiat in dieser Größenordnung nach sich ziehen konnte, sobald die Fakten einmal feststünden und bewiesen werden könnten. Die Berner Konvention garantiere den Schutz des Urheberrechtes, auch wenn es einen ausländischen Schriftsteller beträfe. Und das Urheberrecht sehe ein Verbreitungsverbot und die Vernichtung des Plagiatwerkes vor sowie Schadensersatzforderungen und strafrechtliche Verfolgung. Der Täter müsste mit Geldbußen sowie einer Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten rechnen.
An jenem Abend wurde das Drama in den Fernsehnachrichten breit ausgewalzt. Kamerateams belagerten das Haus der Larue in Eemnes, konnten aber nicht viel mehr zeigen als das hermetisch verriegelte Tor und Interviews mit den Nachbarn, da Hedwige Larue selbst abgetaucht war. Ihr Agent war zwar erreichbar, hielt sich aber nach wie vor bedeckt.
Ein kleines Geschenk, Larues erstes Buch, wurde als das Werk bezeichnet, mit dem sich die Schriftstellerin auf einen Schlag einen Namen gemacht hatte. Auf die Idee, dass auch damit etwas nicht stimmen könnte, schien vorerst noch niemand zu kommen. Ein Rezensent sagte in einem Kommentar, dass der erste Roman der Larue sehr hohe Erwartungen geweckt habe, die die Autorin unter einen enormen Druck gesetzt hätten, innerhalb eines angemessenen Zeitraums ein neues Werk zu präsentieren, und dass sie dadurch vielleicht zu dieser verwerflichen Verzweiflungstat getrieben worden sei.
Ein
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