Caroline
Jurist äußerte die Erwartung, der Fall werde wohl hauptsächlich zivilrechtlich verhandelt. Dies könne sich zu einer Zeit raubenden Prozedur auswachsen, sodass vermutlich zunächst im Eilverfahren gefordert würde, das Buch unverzüglich aus dem Handel zu nehmen, es beim Verlag und den Versandfirmen zu beschlagnahmen und anschließend zu vernichten.
Die Buchhändler meldeten, ihnen würde der Roman förmlich aus den Händen gerissen und nach einem weiteren solchen Tag gäbe es vermutlich keine Exemplare mehr zu beschlagnahmen. Prompt erhielt Traum eines Mädchens Sammlerwert und wurde im Internet mit Preisen bis zu zweitausend Euro für ein von der Larue signiertes Exemplar angeboten.
Dem Reporter einer Nachrichtensendung gelang es, Erik Alledins zu erwischen. Der Lehrer war an diesem Tag zu Hause geblieben und las ungläubig das Buch der Larue. »Wir sprechen mit Erik Alledins, dem niederländischen Übersetzer des Romans von Sara Baswin«, verkündete der Reporter. »Meneer Alledins», was sagen Sie dazu?«
»Es ist wortwörtlich dasselbe«, sagte Alledins schockiert. »Das ist meine Übersetzung!«
»Aber wie kann Hedwige Larue daran gekommen sein?«, fragte der Reporter. »Die Manuskripte müssen doch praktisch zum selben Zeitpunkt bei den beiden Verlagen abgeliefert worden sein. Haben Sie den Text als Ausdruck, auf einer Diskette oder per E-Mail verschickt? Wie konnte Hedwige Larue seiner habhaft werden?«
Alledins stand verwirrt vor der Kamera. »Sie muss das Manuskript gestohlen haben, aber wie? Aus meinem Computer? Das ist unmöglich. Ich habe es per E-Mail an meinen Verlag geschickt und später noch die Druckfahnen korrigiert.«
»Könnte jemandem im Verlag ein Irrtum unterlaufen sein?«
Der Übersetzer runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand im Verlag sich auf etwas Derartiges einlassen würde.«
»Kennen Sie Hedwige Larue?«
Alledins starrte ihn an. »Wie bitte?«
»Ich meine, persönlich? Sie sind doch in der Buchbranche tätig. Sie haben sie doch bestimmt schon einmal irgendwo getroffen?«
Im Hintergrund klingelte ein Telefon und die Kamera schwenkte auf Mevrouw Alledins, die den Hörer hochhielt. Alledins erwachte aus seiner Trance und nahm das Gespräch an. Die Kamera blieb auf ihn gerichtet, während er zuhörte und schließlich auflegte. »Mein Herausgeber hat mich gebeten, keinerlei Informationen an die Medien weiterzugeben«, sagte er förmlich. »Und daran werde ich mich halten.«
Ein Londoner Korrespondent war nach Kent gereist, sodass wir auch Sara Baswin kennen lernten, eine joviale, rothaarige Engländerin mit funkelnden Augen und Sinn für Humor. Sie stand vor einem mit prächtigen Meißelarbeiten verzierten Kamin in einem gemütlichen Raum voller Bücher und sagte: »Sieh mal einer an, das wird ja das nötige Aufsehen erregen. Was wollen Sie von mir hören? Dass es eine Schande ist? Ich finde es in erster Linie lächerlich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie irgendjemand im einundzwanzigsten Jahrhundert eine solche Dummheit begehen kann. Das Reden überlasse ich mit Vergnügen meinen Anwälten, aber es würde mich nicht wundern, wenn noch etwas anderes hinter dieser Sache steckt.«
Natürlich gelang es mir nicht, Hetty Larue zu erreichen, wohl aber ihren literarischen Agenten in seinem Den Haager Hauptquartier.
»Drisman.«
»Max Winter.«
»Wie bitte? Ach so, der Meneer Inkognito.«
»Stimmt. Ich weiß, dass Sie viel um die Ohren haben, und es widerstrebt mir richtig, Ihnen noch mehr aufzuhalsen. Stehen Sie in Kontakt mit Ihrer berühmten Schriftstellerin?«
»Das geht Sie gar nichts an.«
»Ich würde nicht auflegen, wenn ich Sie wäre. Sie sollten sich einmal mit ihrer Autorin unterhalten, und zwar über ihr erstes Buch, Ein kleines Geschenk. Das ist nämlich auch nicht einfach so vom Himmel gefallen. Ich muss es wissen, denn ich selbst komme darin vor, und ursprünglich hieß die Hauptfigur Tilly, bevor Hetty sie in Germaine umbenannte. Und wie hieß noch die andere junge Frau?«
Er legte nicht auf. Er schwieg zwei Sekunden lang und sagte dann: »Vielleicht könnten Sie mir mal erklären, was genau Sie bezwecken. Meine Klientin rätselte schon neulich, worauf Sie mit Ihrer merkwürdigen Geschichte hinauswollten. Inzwischen habe ich auch erfahren, dass Sie vor einiger Zeit unter einem Vorwand und einem falschen Namen beim Mirabel Verlag aufgetaucht sind.«
»Wahrscheinlich ist das ja
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