Caroline
ohne wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen. Wenn ich ihr Vater wäre, würde ich mir Sorgen machen.«
Er erwiderte ausdruckslos ihren Blick. »Sie ist jedenfalls nicht hier.«
Ich versuchte einen anderen Ansatz. »Wo haben Sie Valerie kennen gelernt?«
Romein starrte Nel noch einen Augenblick an, bevor er sich mir zuwandte. »Auf dem Dr.-Nassau-Kolleg an der Groen-van-Prinstererlaan in Assen.«
Es klang, als wolle er uns auf die Palme bringen, doch vielleicht versuchte er nur sein eigenes Unbehagen zu überspielen.
»Sie waren ihr Englischlehrer?«
»Also gut«, sagte er aggressiv. »Bringen wir’s hinter uns. Valerie war achtzehn und ich war ihr Lehrer. Sie war aber bereits mit der Schule fertig, als wir heirateten, daher hielt sich die Empörung in Grenzen. Natürlich gab es trotzdem das übliche Gerede und ich hielt es für vernünftig, mir anderswo eine Stelle zu suchen.«
»Sie sind also hierher gezogen, doch die Ehe wurde bereits nach zwei Jahren wieder geschieden?«
Romein schaute hinauf zur Unterseite des Sonnenschirms, in den dunkelorangefarbenen Schatten. Vielleicht kam ihm die Scheidung damals gar nicht so ungelegen, weil sie ihn von den Seitenblicken und dem Gemunkel über den Lehrer und seine hübsche Schülerin erlöste. Im Rausch der ersten Verliebtheit hatte er womöglich geglaubt, dem Tratsch durch einen Umzug entfliehen zu können, doch das Gerede, wie er es nannte, war ihm unerbittlich gefolgt. »Valerie hatte andere Ziele als ich«, sagte er.
»Sie war noch sehr jung«, gab ich zu bedenken.
»Stimmt.«
»Und schwanger.«
»Auch das.«
Mein Umweg hatte wenig Erfolg.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Caroline sein könnte?«, fragte Nel freundlich.
»Wohl kaum«, antwortete er.
»Wohl kaum?«, fragte Nel stirnrunzelnd zurück.
Romein trank von seinem Kaffee. In dem orangefarbenen Licht unter dem Sonnenschirm schien sich sein Gesichtsausdruck zu verändern, als fände er sich mit irgendetwas ab. »Ich befürchte, dass Karel ziemlich verstört war.«
Ich schaute ihn an. »Wie meinen Sie das?«
Wieder seufzte er. »Tja, es ist eine unangenehme Geschichte, vor allem für Karel, aber ich konnte einfach nicht anders. Sie kam plötzlich hier an, wollte wissen, warum ich mich nie um sie gekümmert habe und nie den Kontakt zu ihr suche. Irgendetwas lag ihr auf der Seele, sie war furchtbar nervös und angespannt.«
»Vielleicht musste sie all ihren Mut zusammennehmen, um Ihnen einmal die Wahrheit zu sagen«, vermutete Nel.
Romein nickte. »Das habe ich mir im Nachhinein auch überlegt, aber in dem Moment fand ich es einfach nur unmöglich. Sie ließ mir kaum Zeit, etwas zu erwidern, sondern ging sofort auf Martine los. Da war ich ja wohl gezwungen, ihr die Wahrheit zu sagen, aber trotzdem hörte sie nicht auf, Martine anzuschreien und ihr vorzuwerfen, dass sie mich dazu bringe, so zu tun, als habe ich keine Tochter. Ich konnte sie schon verstehen, auch ihre Mutter verhält sich ja meistens so, als habe sie keine Tochter, aber in meinem Fall war es etwas anderes.«
»Wieso etwas anderes?«, fragte Nel gereizt.
»Weil ich nicht ihr Vater bin.«
Ich schaute von ihm zu Nel, die den Atem anhielt. Das Einzige, was meine Überraschung dämpfte, war, dass er mir von Anfang an zu attraktiv erschienen war, um zusammen mit Valerie eine so hässliche Tochter gezeugt haben zu können.
»Guter Gott«, entfuhr es Nel aus tiefstem Herzen. »Und in den ganzen letzten neunzehn Jahren hat es niemand je für nötig gehalten, Caroline die Wahrheit zu sagen?«
Romein schien für einen kurzen Moment quälende Reue zu empfinden. »Ihnen hätte ich es normalerweise auch nicht erzählt, aber falls Sie Karel finden, erfahren Sie es ja doch von ihr.«
»Warum musste das ein Geheimnis bleiben?«
»Auf Wunsch von Valerie. Sie bestand darauf, ich musste es ihr versprechen und habe mich immer daran gehalten.«
»Aber wer ist denn dann Carolines Vater?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe immer an einen Schulfreund gedacht, in der Prüfungszeit oder auf einer dieser Partys, aber Valerie wollte es mir nie verraten.«
»Wussten Sie, dass sie schwanger war, als Sie sie heirateten?«, fragte Nel.
Er antwortete mit festem Blick: »Ja, das wusste ich. Bei der Hochzeit war sie schon im dritten Monat, aber man sah noch nichts.«
Ich fragte: »Und eine Abtreibung kam nicht in Frage?«
Er schaute mich mitleidig an. »Valerie hatte ihren Zustand geheim gehalten. Als sie überfällig war, führte sie es auf den
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