Caroline
eigenen Angelegenheiten kümmern solle.
»Was ist mit den Krankenhäusern?«
»Wird in unserem Bezirk ein unbekanntes Verkehrsunfallopfer eingeliefert, erfahren wir das automatisch.«
Ich nickte. »Was mich stört, ist, dass sie verschwunden ist, ohne eine Nachricht zu hinterlassen oder eine Karte zu schicken.«
»Gibt es eine Lösegeldforderung?«, fragte Nijman.
»Nein. Trotzdem mache ich mir Sorgen.«
»Dafür werden Sie bezahlt«, sagte er.
Ich wartete einen Augenblick und sagte dann: »Sie auch.«
Nijman lächelte andeutungsweise, stützte seine Ellenbogen auf den Tisch, presste seine Daumennägel an die Vorderzähne und schaute mich ein paar Sekunden lang an. »Haben Sie sich das Dachstudio des Mädchens angesehen?«, fragte er dann.
»Ja.«
»Was halten Sie davon, als erfahrener ehemaliger Kripobeamter?«
Ich ignorierte die Ironie hinter seinen Worten, schließlich hatte er meine Bemerkung auch geschluckt. »Caroline führt ihr eigenes Leben, sie wohnt wie zur Untermiete bei ihrer berühmten Mutter, die nie zu Hause ist.«
»Von der Mutter sind hunderttausende Fotos in Umlauf«, sagte Nijman. »Doch von ihrer eigenen Tochter hat sie nicht ein einziges. Im Übrigen machte sie keinen übermäßig besorgten Eindruck.«
Der Mann hatte natürlich auch Augen und Ohren. »Aber seitdem ist eine Woche vergangen.«
Er nickte philosophisch. »Tja. Spielt die Zeit denn eine Rolle? Die Menschen vergessen die Zeit, vor allem wenn sie noch jung genug sind und glauben, dass sie im Überfluss vorhanden ist. Die Mutter hat Geld. Wenn man den Damen in der Kantine Glauben schenken darf, gehört sie zu den bestbezahlten Models der Welt, und die Entführung ihrer Tochter könnte ein lukratives Unterfangen sein, aber dann darf man natürlich nicht vergessen, Lösegeld zu verlangen.«
»Da haben Sie vollkommen Recht.« Ich machte meine Tasche auf und reichte ihm einen Abzug des Fotos, das Nel aufgenommen hatte.
Er schaute es an und schwieg einen Moment. »Sie sieht ihrer Mutter nicht sehr ähnlich«, lautete sein taktvoller Kommentar, bevor er das Bild wieder zurückschob.
»Sie können es behalten«, sagte ich.
Er nickte und ließ das Foto auf dem Tisch liegen. »Die junge Dame ist volljährig und alles weist darauf hin, dass sie von sich aus gegangen ist, alleine oder mit jemand anderem. Sie hat Kleidung und Toilettenartikel mitgenommen. Wenn Sie sie nicht vorher finden, glaube ich, dass sie nach einer Weile von alleine wieder auftaucht. Ich hoffe, dass Mevrouw Romein die Sache aus den Medien heraushält, sonst kommt es noch zu Lösegeldforderungen von Trittbrettfahrern.«
»Wenn es nach Valerie Romein geht, kommt es nicht in die Zeitung«, versicherte ich ihm.
»Nun, dann sind wir ja hier fertig.« Er gab mir seine Karte. »Danke, dass Sie sich bei uns gemeldet haben. Lassen Sie es mich wissen, falls Sie sie finden, und rufen Sie mich an, bevor Sie anfangen, Straftaten auf eigene Faust aufzuklären.«
»Es war doch gar keine Rede von einer Straftat?«
Nijman lächelte und ging mir voraus zur Tür. »An Ihrer Stelle würde ich mich mal bei ihren Freunden erkundigen«, sagte er. »Vielleicht ist sie auf so einer Mittelmeerkreuzfahrt, wie meine Frau und ich sie schon seit zehn Jahren gut gebrauchen könnten.«
Es war klar, dass ich an dieser Stelle gar nicht mit den übernatürlichen Fähigkeiten CyberNels oder meinen eigenen, eher irdischen Instinkten anzufangen brauchte, die mir sagten, dass sich das hässliche Entlein von Porquerolles keineswegs auf einer erholsamen Kreuzfahrt befand.
Ich steckte seine Karte ein, gab ihm die Hand und schob der Beamtin am Empfang im Vorübergehen meinen Besucherausweis zu. Sie ließ mich eine Weile vor der Tür stehen, um zu kontrollieren, ob ich auch keinen Sprengstoff in dem Pass versteckt hatte, bevor sie auf den Knopf drückte. Die beiden Alten saßen noch immer auf der Bank, von einer Lähmung befallen, die entsteht, wenn einem niemand zuhört.
Die Villa lag auf einem weitläufigen Grundstück mit hohen Laubbäumen an einer ruhigen Allee in Leusden-Süd und wirkte ein bisschen üppig für einen einfachen Englischlehrer mit Beamtengehalt.
»Vielleicht hat er im Lotto gewonnen«, meinte Cyber-Nel, die neben mir im BMW saß, mit einem Blick auf das Anwesen. »Oder er ist ein Internet-Betrüger. Allerdings ist er nicht vorbestraft.«
Ich fuhr die Einfahrt hinauf und parkte auf dem breiten Streifen lachsfarbener Gartenwegplatten vor dem Haus mit Doppelgarage. Eines der
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