Caroline
meinen, das hier sei ein Paradies, aber wir haben es auch nicht immer leicht gehabt, das können Sie mir glauben.« Er und seine Frau blickten sich an und man konnte die Erinnerungen zwischen ihnen hin- und herschwingen sehen wie das Pendel einer Uhr.
Eva biss sich auf die Lippen. »Valerie hätte uns ruhig anvertrauen können, dass sie schwanger war, stattdessen wandte sie sich an ihren Englischlehrer.«
Es war, als würde ein Schleusentor geöffnet. Ich dachte daran, dass sie wahrscheinlich seit Carolines Besuch mit niemandem mehr darüber hatten reden können und es eine Erleichterung für sie bedeuten musste, es Außenstehenden zu erzählen, die der Dorfklatsch nicht interessierte.
»Wir waren strikt gegen diese Heirat«, sagte Fuck. »Valerie war noch viel zu jung. Sie war erst achtzehn, dieser Mann schon vierunddreißig und außerdem gerade erst geschieden worden. Damals wurde eifrig darüber getratscht, die Leute denken sich ja alles Mögliche aus, zum Beispiel, dass Valerie der Grund für die Scheidung gewesen sei. Es war auch für uns nicht leicht. Man hat doch eine Art … Ich war Rektor an der Grundschule. Wir wollten ihr die Erlaubnis verweigern, aber dann erzählten sie, dass Valerie schwanger war.« Wieder schaute er seine Frau an. »Wir dachten, was jeder gedacht hätte. Dass sie schon seit einer Weile ein Verhältnis mit diesem Mann hatte und das Kind von ihm war. Eine Mussehe nannte man das früher. Man wohnt in einem Dorf, niemand will einen Skandal, sie hat uns die Pistole auf die Brust gesetzt. Schließlich haben wir nachgegeben.«
»Wenn sie uns die Wahrheit gesagt hätte, hätten wir schon eine Lösung gefunden«, wiederholte Eva verbittert. »Sie hätte das Kind ja nicht zur Adoption freigeben müssen, wir hätten schon für Caroline gesorgt. Das mussten wir ja ohnehin, weil die Ehe schon nach zwei Jahren zerbrach und Valerie mit Gewalt auf diese teure Mannequinschule in Mailand gehen musste.«
»Wollte sie schon immer Mannequin werden?«, fragte CyberNel.
Fuck zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, das hat ihr irgendein Agent von so einer Modelagentur eingeredet, der hat sie zufällig bei einer Schultheateraufführung entdeckt, in der sie eine kleine Rolle spielte. Der hat ihr wohl den Floh von der Modelkarriere und der Spezialausbildung zum Mannequin ins Ohr gesetzt. Noch im selben Jahr wurden einige Fotos von ihr in einem Katalog für Unterwäsche veröffentlicht, aber dann kam die Schwangerschaft dazwischen.«
Valerie musste verzweifelt gewesen sein und die Ehe mit ihrem Lehrer war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Valerie hatte andere Ziele als ich, hatte Romein gesagt. Seine junge Frau wartete in seinem großen Haus in Leusden wie ein Tier im Käfig auf die nächstbeste Gelegenheit, daraus zu entkommen. Nur Caroline hinderte sie daran. Das Kind war nicht nur unerwünscht, sondern ihr regelrecht im Wege.
»Dolf Romein hat ihr die Ausbildung in Mailand finanziert«, erklärte Fuck, als errate er meine Gedanken. »Valerie verlangte bei der Scheidung keinen Unterhalt, sondern nur das. Sie wusste genau, was sie wollte. Aber sie hätte es um einiges leichter haben können, wenn sie sich nicht so furchtbar in ihren Eltern getäuscht hätte.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nun ja, aber das tun schließlich viele Kinder.«
»Wie kam es, dass sie Ihnen nicht vertraute?«, fragte CyberNel.
Sie reagierten nicht beleidigt. »Wir haben unser Bestes getan«, antwortete Eva. »Aber wir waren natürlich streng, so sind wir auch erzogen worden.«
»Sie war schon immer sehr verschlossen«, fügte Fuck hinzu. »Wir sind hier in Drenthe und in den Achtzigerjahren war die Vorstellung, ein Kind abtreiben zu lassen, noch absolut tabu.«
»Ist sie auch jetzt noch«, warf Eva ärgerlich ein.
Er nickte. »Ich glaube, sie ist noch nicht einmal auf die Idee gekommen. Aber es kann auch sein, dass ihr gar nicht bewusst war, dass sie schwanger war, oder sie das Wissen einfach verdrängte, bis es zu spät war.« Wieder zuckte er mutlos mit den Achseln. »Ich weiß nicht, was passiert ist oder wer sie geschwängert hat. Nachdem Caroline hier gewesen war, habe ich Valerie angerufen. Sie weigerte sich, auch nur ein Sterbenswörtchen darüber zu sagen.« Er schaute seine Frau an. »Inzwischen glaube ich, dass sie Dolf Romein gezielt für die Vaterrolle ausgewählt hat.«
»Berechnend genug war sie«, musste Eva zugeben. »Auch wenn sie meine Tochter ist, sie wusste schon als Kind ganz genau, was
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