Caroline
sie wollte und wie sie ihre Mitmenschen manipulieren konnte.«
»Nur für Denise hatte sie eine Schwäche«, sagte Fuck.
Wieder verfielen sie in ein Schweigen, das schwerer lastete als das vorherige. Ich schaute in ihre Gesichter und dann auf den schlafenden Hund, den blühenden Garten und die große, stille Heide ein Stück weit entfernt. Man konnte sich die Atmosphäre leicht ausmalen: die Kirche, den Dorfplatz, den Schulhof, Spiele wie Schiffer, darf ich überfahren?, den Tante-Emma-Laden. Für einen Stadtmenschen, der hier an einem sonnigen Tag anspaziert kam, schien es kaum einen idealeren Ort für ein Kind zu geben.
Doch während ich dieses Ehepaar anblickte, das einem Trotzkopf-Buch hätte entsprungen sein können, konnte ich mich der Frage nicht erwehren, ob Valerie sich wirklich so sehr in ihren Eltern getäuscht hatte und ob sie die Schwangerschaft vielleicht damals dazu benutzte, den bösen Hexen in diesem Heidemärchen zu entfliehen. Nel war schweigsam geworden. Vielleicht dachte sie an den Drachen auf dem Dorfplatz.
Ich räusperte mich. »Denise?«
»Unsere andere Tochter«, sagte Fuck. »Sie ist vor Jahren gestorben.«
»Wenn wir auf Valerie gehört hätten, wäre sie noch am Leben«, sagte Eva zu ihm.
»Wie konnten wir das ahnen? Sie hatte es gut dort, sie fühlte sich heimisch, es waren gute Menschen.«
»Außer dem einen faulen Apfel.«
Es klang wie ein eingeübter Dialog, der an jedem Geburtstag und bei jedem Besuch am Grab wiederholt wurde, und Fuck bereute es sichtlich, das Thema angeschnitten zu haben. »Es ist lange her«, sagte er, »und es hat nichts mit Caroline zu tun.«
Eva nickte bedrückt und schwieg. Sie nahm die Karaffe und füllte die Gläser nach. Ich sehnte mich allmählich nach Klarheit, konkreten Fakten, einer eindeutigen Richtung.
»Wir suchen Caroline«, sagte ich. »Und Caroline sucht ihren Vater, das glauben wir zumindest. Sie verfolgt eine Spur zurück und sie ist klug genug, um zu wissen, dass Valerie den Mann oder Jungen in einer bestimmten Zeit kennen gelernt haben muss. Kurz vor ihrem Schulabschluss? Vielleicht ein Junge aus der Theatergruppe? Hat sich Caroline nach Valeries Freundeskreis erkundigt? Hatte sie viele Freunde und Freundinnen?«
Fuck nickte. »Sie war sehr beliebt, aber das meiste spielte sich in Assen ab. Ihre beste Freundin wohnte fünf Kilometer von hier entfernt, in Langelo.«
Eva nickte widerwillig. »Gemma Teeseling. Aber ich weiß genau, dass Valerie seit der höheren Schule keinen Kontakt mehr zu ihr hat. Gemma ist verheiratet und hat Familie.« Sie schaute streng von Nel zu mir. »Es wäre mir nicht recht, wenn Sie ihr gegenüber Valeries Fehltritt erwähnen würden.«
Nun wurde das Ganze also zu einem Fehltritt, der nie herausgekommen wäre, wenn ihn das Verschwinden Carolines nicht als unangenehmen Nebeneffekt ans Licht gebracht hätte. »Nicht, wenn es nicht nötig ist«, versprach ich. »Haben Sie Caroline denn Gemmas Adresse gegeben?«
»Ich habe ihr nur gesagt, wie sie heißt und dass sie in Langelo wohnt, aber das reicht völlig. Jeder kennt die Teeselings.« Eva wurde ein wenig aggressiv. »Wie meinen Sie das: ›wenn es nicht nötig ist‹?«
»Wie ich es gesagt habe«, erwiderte ich. »Ich kann gut verstehen, dass Sie keinen Klatsch gebrauchen können, wir wohnen selbst auf dem Dorf. Aber schließlich suchen wir Ihre Enkeltochter.«
Jede weitere Erklärung erschien mir überflüssig.
»Caroline besuchte Dolf Romein, weil sie ihrem Vater etwas Besonderes mitteilen wollte«, sagte Nel. »Hat sie Ihnen erzählt, was das war?«
»Etwas Besonderes?«
»Ja, etwas, was ihr Vater wissen sollte.«
Fuck schaute seine Frau an und schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, wir könnten Ihnen weiterhelfen«, sagte er. »Wir haben versucht, sie aufzufangen, und ihr alles erzählt, was wir wussten. Aber das war herzlich wenig.«
Eva warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Wir haben ihr auch erklärt, was mit Denise passiert ist.«
Fuck nickt abwehrend. »Ja, na ja.«
»Valerie hat ihr das immer verschwiegen. Caroline wusste nichts davon.« Eva wandte sich zu mir und sagte entschuldigend: »Nun ja, Caroline war damals erst ein Jahr alt und Valerie wohnte noch in Leusden. Als wir Caroline dann bei uns aufnahmen, erklärten wir ihr nur, ihre Tante Denise sei im Himmel. Sie war doch noch so klein, was für einen Sinn hätte es gehabt? Ich habe sie allerdings hin und wieder auf den Friedhof mitgenommen.«
»Die beiden hier wissen nicht,
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