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Caroline

Caroline

Titel: Caroline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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gebracht, und das ist ja nicht weit von hier.«
    »Weiß sie, dass du hier bist?«
    »Nein, es war eine spontane Idee. Van Doorn klingt übrigens nicht besonders groningisch.«
    Roelof lächelte. Er war ein guter Beobachter und erkannte, dass ich den offiziellen Teil hinter mir lassen wollte. Ich wusste nicht, was ich sonst noch tun sollte, ihn um die Hand seiner Tochter bitten? Ich bezweifelte, dass das heutzutage noch üblich war.
    »Mein Vater stammte aus Doorn«, erklärte Roelof. »Gott hab ihn selig, aber er war ein großer Fantast, der es verstand, Leute zu beschwatzen. Als junger Mann reiste er quer durch das ganze Land und bot auf den Märkten ein Wundermittel feil, eine neue Erfindung, die die medizinische Wissenschaft in Erstaunen versetzte, ein Zahnpulver namens Vlim, das die Zähne blendend weiß machte. Das war kurz nach dem Ersten Weltkrieg, da konnte man den Leuten noch alles erzählen. Bis sie sich schließlich den ganzen Zahnschmelz runtergeschrubbt hatten, war van Doorn über alle Berge.«
    »In Feerweerd hat man ihn aber offenbar nicht gelyncht«, sagte ich.
    Wieder lachte Roelof. »Er lernte meine Mutter auf dem Markt in Groningen kennen und natürlich war er nicht so dumm, das Vlim mitzubringen, als er hierher zog. Sie haben zusammen diese Fahrradwerkstatt auf die Beine gestellt, auch damals schon eine Rarität in einem so kleinen Dorf. Nach dem Krieg hat er hier als Erster Mopeds eingeführt, nicht nur die Puch, sondern vor allem die Kreidler. Du hast bestimmt noch nie davon gehört, aber es waren technische Wunderwerke.«
    Er führte mich in den Garten mit einem von Blumenbeeten gesäumten Rasen und einem Gemüsegarten im hinteren Teil. Auf einem gefliesten Sitzplatz unter einer weiß gestrichenen, mit roten Rosen berankten Holzpergola standen ein Tisch und Stühle. Es war kurz nach fünf und sanftes Nachmittagslicht fiel auf die geschützte Welt der Gärten innerhalb des Rings von Feerweerd.
    Auke brachte Schnapsgläser, eine Flasche und einen Teller mit Käse, Wurstscheiben und sauren Gurken. Sie hatte sich die Schürze ausgezogen und das Haar gekämmt. Roelof schenkte die hohen Gläser voll und wir wünschten uns ein langes Leben. Es war schon ein Weile her, dass ich jungen Genever getrunken hatte. Auke trank nicht mit. »Du fährst doch heute Abend nicht mehr zurück, oder?«, fragte sie. »Du kannst gerne in Lias Zimmer übernachten. Und du bekommst ein gesundes Groninger Abendessen vorgesetzt.«
    Sie ging wieder weg. »In diesem Fall heißt das: ein ordentliches Kotelett mit Kartoffeln und Schnittbohnen aus dem eigenen Garten«, erklärte Roelof. »Auke kocht gut, das muss ich ihr lassen.«
    Er nippte an seinem Glas und wir blickten schweigend auf den Garten. Das Schweigen war angenehm, die Stille ebenfalls. Mir wurde bewusst, dass Feerweerd eine einzigartige Ausnahme darstellte, denn ansonsten waren, seit ich vor zwanzig Jahren das letzte Mal hindurchgefahren war, auch hier in Drenthe an fast allen Dörfern neue Geschwüre gewuchert, mit Einkaufszentren, Diskotheken, Grundschulen, Polizeiwachen und Bushaltestellen. CyberNel hatte mir von einem Club erzählt, der die Einwohnerzahl der Niederlande auf zehn Millionen begrenzen wollte und daher Club der zehn Millionen hieß. Meiner Meinung nach sollte ein Club jedoch ein Ideal anstreben, sonst ist es kein Club, sondern ein Verwaltungsrat. Eine Einwohnerzahl von zehn Millionen erschien mir jedoch nicht als Ideal, sondern eher als eine Art kalkulatorische Summe im Rahmen einer Politik des Möglichen.
    Ein Ideal wären zwei Millionen Einwohner. Höchstens drei. Mit zwei Millionen Einwohnern waren die Niederlande vor vierhundert Jahren Machthaber in Brasilien, Südafrika, Ceylon, Indonesien, Taiwan und den Küstenstrichen Indiens und Westafrikas gewesen. New York und so manche Kolonie am Hudson bis hinauf nach Albany wurden gegründet, und auch die Handelsposten in Japan und China, während man zugleich im eigenen Land Städte und Deiche baute, mit Windmühlen Polder trockenpumpte, Zar Peter den Großen im Schiffbau unterwies, Heringe ausnahm, einsalzte und in ganz Europa verkaufte und nebenbei die spanische Großmacht an den Südgrenzen mithilfe einer frühniederländischen Variante des Vietnam-Krieges in die Knie zwang.
    Roelof lachte und sagte: »Natürlich gab es damals auch weniger Spanier.« Er war von demselben lakonischen Groninger Schlag wie seine Tochter Cornelia.
    Bei Nels Eltern wurde wenig ferngesehen. Nach dem gesunden Groninger

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