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Caroline

Caroline

Titel: Caroline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Abendessen spazierten Roelof und ich zum Wasserlauf, um uns ein wenig die Beine zu vertreten, meine Reisetasche aus dem Auto zu holen und auf der Brücke eine Zigarette zu rauchen. Ich merkte, dass ich todmüde war. Seit Tagen hatte ich nur wenig geschlafen und mein Kopf machte mir allmählich Beschwerden.
    Auke brachte mich in ein kleines Zimmer mit einem braunen französischen Bett. Eine leicht verwaschene Häkeldecke lag darauf und der Duft von frischer Bettwäsche und Farbe erfüllte den Raum. Auke blieb in der Tür stehen und sagte nach einem kurzen Zögern: »Ich hoffe, dass du gut für Lia sorgen wirst.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also nickte und lächelte ich einfach, und dann kam sie auf mich zu und küsste mich auf die Wange. Sie schloss die Tür und ließ mich in der Stille von Nels Mädchenzimmer allein, unter der cremeweiß gestrichenen Holzverkleidung der Dachschrägen. Ich öffnete das Dachfenster einen Spalt. Von draußen drang eine noch größere Stille herein. Auf dem kleinen Holzschreibtisch unter dem Fenster stand das gerahmte Foto einer Schulklasse, der Lehrer in der Mitte, Cornelia in der ersten Reihe hockend, ein ernstes Gesichtchen mit großen Augen, einem breiten Mund und geflochtenen Zöpfen. Ich zog mich aus und schlüpfte ins Bett, zwischen Bettzeug, das nach Gras und Seife duftete.
    Ich fühlte mich wundersam glücklich.
    Ich träumte, dass ich eine bekannte Stimme hörte und andere Stimmen, die flüsternd antworteten. Jemand sagte meinen Namen. Es folgte leises Quietschen und Rumoren, das Rascheln von Kleidung. Nel rutschte neben mich, und alles in dem französischen Bett wurde rundum vollkommen. Alles passte. So ist das mit Nel. Ich brauche nur eine Bewegung mit meinem Knie zu machen und sie legt ihre Beine darüber, sodass ich sie im Liegen trage und mit einer schläfrigen Geste die Hand auf ihren Bauch oder zwischen ihre Beine legen kann. Meine andere Hand lege ich ihr auf Mund und Nase, und ich spüre, wie ihr Atem meine Handfläche erwärmt. Sie vertraut mir vollkommen, sie kommt gar nicht auf die Idee, dass ich ihr den Atem rauben und sie ersticken könnte. Solche Gedanken gehen nur mir durch den Kopf, weil ich auf das Erfinden von derlei Unsinn programmiert bin, als würde das normale Leben mit seinen gewöhnlichen alltäglichen Freuden und häuslichen Annehmlichkeiten nicht ausreichen.
    Ich hielt Nel im Arm und dachte bei mir, dass das mehr als genug war.
    Nel wollte mir alle wichtigen Plätze ihrer Jugend zeigen, und nach einem gesunden Frühstück im Garten spazierten wir an der ehemaligen Schmiede, der Kirche und der alten Schule vorbei und dann über die Brücke zum Bauernhof ihrer Freundin Wietske. Auf dem Hof stand eine nervöse schwarze Stute, festgehalten von einem Bauern und dessen feixendem Sohn. Nel erklärte, Wietske sei mit einem Rechnungsprüfer namens Hendrik verheiratet, der in der Stadt arbeite. Sie kümmere sich um die Deckstation.
    »Was heißt das, sie kümmert sich um die Deckstation?«
    »Sie besitzt einen Zuchthengst. Sie verkauft seinen Samen zur künstlichen Befruchtung, aber Hendrik deckt auch Stuten aus der näheren Umgebung.« Sie wies mit einem Nicken auf das grobknochige Tier, das immer nervöser wurde.
    »Hendrik? Ihr Mann?«
    Nel kicherte. »Wietske hat drei Hendriks. Ihr Sohn heißt auch so, er geht in Ezinge zur Schule.«
    Eine bildschöne rothaarige Groningerin in Gummistiefeln und Blaumann kam hinaus auf den Hof. Sie schloss Nel fest in die Arme und küsste mich unbefangen auf beide Wangen. »Aha, der Neue«, sagte sie. »Ich werde ihn gleich mal ausquetschen, wenn Hendrik fertig ist mit Rosa zwei.« Sie lachte und verschwand durch eine Tür hinten am Gebäude, hinter der wir lautes Schnauben und Stampfen hörten.
    »Hendrik wittert die Stute«, sagte Nel. »Mit einem Hengst ist nicht zu spaßen, der tritt jeden Stall kurz und klein, und man kann ihn nur bändigen, wenn er sich bändigen lassen will. Wietske ist die Einzige, die mit ihm fertig wird.«
    »Ich dachte, du hättest keine Ahnung vom Landleben und würdest Tomaten für Kletter-Rote-Bete halten.«
    Sie lehnte sich an mich. »Das war doch nur eine Ausrede, weil ich mich nicht getraut habe, mit dir zusammenzuziehen.«
    Wietske brachte den tänzelnden braunen Hengst hinaus. Sie führte ihn an einem Halfter ohne Gebiss und wurde fast mit angehoben, als Hendrik den Kopf hochwarf, die Mähne schüttelte und durch seine geblähten Nüstern schnaubte. Der monumentale

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