Caroline
hinter der Küchenbar ein Geschirrtuch und brachte es ihr. Sie tupfte sich die Augen damit ab, mit der automatisierten Berufssorge um ihr Make-up, die sie selbst jetzt nicht im Stich ließ.
Ich gab ihr eine Minute, sich zu erholen, und wiederholte dann: »Was ist in jener Nacht genau geschehen?«
Sie hielt das Tuch an die Augen. »Der Pfarrer nahm mich nachmittags beiseite und sagte, ich solle abends, wenn Denise im Bett liege, zu ihm kommen, um über meine Schwester zu reden. Es gäbe etwas, worüber er sich Sorgen mache, aber es müsse vorläufig unter uns bleiben. Ich bin so gegen zehn Uhr zu ihm gegangen.«
»Wo habt ihr euch getroffen?«
»Er wohnte in einem kleinen Gebäude mit Kapelle und Sprechzimmer, hinter den Ställen …« Sie geriet ins Stocken. Sie nahm das Tuch vor den Augen weg und ich reichte ihr ihr Glas. »Er war sehr freundlich, bot mir ein Glas Limonade an. Dann erzählte er mir, er habe den Gärtner im Stall dabei erwischt, wie er Denise sexuell missbrauchte, und dass er sie seitdem beide getrennt voneinander zu sich kommen ließe, um sie von ihren sündigen Verirrungen zu heilen. Er sagte, dass Denise natürlich für jemanden wie Bertus eine leichte Beute sei und dass Mädchen wie sie manchmal eine teuflische und primitive Lust auf Sex entwickelten, er aber über ihr geistiges Wohl zu wachen versuche, indem er regelmäßig mit ihr bete und rede. Ich erschrak sehr darüber, ich war doch erst siebzehn, Denise knapp sechzehn. Auf den Schrecken gab er mir ein Glas Likör. Ich verstand nicht, was er von mir wollte.«
»Hast du ihn nicht gefragt, warum er sich nicht an die Heimleitung wandte und sich über Bertus beschwerte?«
»Doch, natürlich. Er sagte, Gott habe ihm die Aufgabe gegeben, Seelen zu retten, und nicht, Menschen brotlos zu machen. Bertus sei ein Sünder, er habe es auch mit anderen Heimbewohnerinnen getrieben, aber er glaube an die Kraft des Gebetes. Er sagte, ich solle es ihm überlassen, er ziehe mich nur ins Vertrauen, weil ich Denises Schwester sei und weil ich ihm helfen könne, indem ich zusammen mit ihm für sie bete. Ich war durcheinander, ich bekam Kopfschmerzen von dem süßen Likör und wurde müde davon. Ich kriegte kaum mehr etwas mit.«
»Hat er dich betäubt und anschließend missbraucht?«, fragte ich rundheraus.
»Der Dominee? Nein, natürlich nicht.« Valerie starrte mich entsetzt an. »Es war Bertus!«
Du grüne Neune. »Was genau ist geschehen?«
»Der Pfarrer brachte mich in die Kapelle und schaltete leise Musik ein. Er brachte mich zur vordersten Bank und fing an zu beten. Dann musste er an der Predigt für den nächsten Tag arbeiten, sagte aber, ich könne einen Moment sitzen bleiben, um wieder zu mir zu kommen. Ich glaube, dass ich eingeschlafen bin und wach wurde, weil die Musik ausging. Der Pfarrer war weg und ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Ich weiß noch, dass ich mich darüber wunderte, dass die Außenbeleuchtung ausgeschaltet war. Ich musste nämlich an den Ställen vorbei. Und dort ist es passiert.«
»Hast du ihn gesehen?«
Ich sah, dass es ihr schwer fiel, sie hielt ihr Gesicht abgewandt, doch sie wollte es sich endlich von der Seele reden. Sie hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen, sondern es nur hundert Mal in Gedanken wiederholt. Sie erinnerte sich an jede Einzelheit. »Jemand hat mir einen Jutesack über den Kopf gezogen, mich in den Stall gezerrt und ins Heu geworfen. Ich wäre fast erstickt, ich versuchte mich zu wehren, doch meine Arme und Beine waren wie aus Blei. Ich weiß auch noch, dass ich daran dachte, dass man sich nicht wehren und auch nicht schreien soll, aber dazu wäre ich sowieso nicht in der Lage gewesen. Er drückte mir den Sack auf das Gesicht und ich fühlte, wie er meine Bluse aufknöpfte und meinen Rock hochzog. Es war, als fiele ich in einen Abgrund. Er riss nichts kaputt, und später überlegte ich mir, dass er auf jeden Fall intelligent genug war, um zu wissen, dass es auffallen würde, wenn ich mit zerrissener Kleidung in Denises Block ankommen würde, obwohl dort schon alle schliefen. Aber er war grob und gemein, er tat mir weh, und meine Brüste waren hinterher voller blauer Flecken. Dann ließ er von mir ab und ich zog mir den Sack vom Kopf und lag im Dunkeln. Ich habe eine Stunde lang unter der Dusche gestanden und den Duschkopf praktisch in mich hineingesteckt, um es loszuwerden.«
»Der Pfarrer hat dir ein Schlafmittel verpasst, sich einen Jutesack geschnappt und dich in den Stall
Weitere Kostenlose Bücher