Caroline
nie benutzt. Keine Kissen und Decken auf den Betten, nur Überwürfe auf der Matratze. Wir fanden akkurat gefaltete Decken und Bettwäsche in den Schränken, mit einem Mottenstäbchen und ein paar alten Lavendelsäckchen dazwischen. Wir suchten überall, unter den Betten, unter den Matratzen, oben auf den Schränken, im Badezimmer. Ich hockte mich in die Duschkabine und pulte das Sieb aus dem Abfluss, um es auf Haare zu kontrollieren. Alles war blitzsauber. Entweder hatte Hetty Larue eine hervorragende Putzfrau oder sie selbst hatte stundenlang geschuftet, um jegliche Spur zu beseitigen. Falls es Spuren gegeben hatte. Wir fanden keinerlei Anzeichen dafür, dass hier überhaupt je ein Mensch zu Besuch kam.
Wir schalteten das Licht in Hettys Schlafzimmer ein und durchsuchten Schränke und Schubladen, ohne uns große Hoffnungen zu machen. Es wäre auch nicht leicht gewesen, in Hetty Larues umfangreicher Garderobe ein paar fremde Pullover oder Jeans zu entdecken, selbst wenn sie ein paar Nummern zu klein gewesen wären. Doch warum sollte Hetty, falls sie etwas mit dem Tod von Caroline zu tun hatte, so dumm sein, ihre Sachen aufzubewahren? Serienmörder behielten manchmal Trophäen, doch die Larue war keine Serienmörderin. Sie wäre nach dem Mord vermutlich wie erstarrt vor Angst und Grauen gewesen.
Für den einmaligen Täter besteht oft die größte Schwierigkeit darin, einen klaren Kopf zu behalten. Der Anblick des Opfers, das vor den eigenen Augen stirbt, versetzt ihm häufig einen solchen Schock, dass er in seiner Panik all seine Pläne und Vorsätze vergisst und Fehler macht.
Ich schaltete das Licht im großen Badezimmer ein und begann die Schränke zu durchsuchen. Ich fand jede Menge Toilettenartikel und Badezimmerutensilien, Pakete mit Slipeinlagen und Kondome in diversen Operettenfarben, Reservezahnbürsten. Die Hausapotheke füllte das oberste Regalbrett eines Schränkchens: Schmerzmittel, Tabletten gegen Menstruationsbeschwerden, Pflaster, kleine Scheren, Jod, Wundpuder, Hustensaft, Augentropfen, Vitamine. Ich fand ein Schlafmittel, Euphytose, aber das war mehr oder weniger ein homöopathisches, unschädliches Medikament. Ein entzündungshemmendes Antibiotikum. Und irgendwo hintendrin eine kleinere Schachtel.
Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo Nel noch mit den Kleiderschränken beschäftigt war, die eine komplette Seitenwand in Beschlag nahmen. »Was für eine Tasche hatte sie dabei?«, fragte sie, während sie die Kleider beiseite schob, um auf dem Schrankboden nachzusehen.
»Eine grüne«, antwortete ich. »Laut Valerie.«
Nel richtete sich auf und schloss die Schranktür. Sie ließ den Blick über das große Bett schweifen, den hellblauen Morgenmantel, die an Haken hängenden Schlafanzüge aus Seide und den Frisiertisch voller Schönheitsprodukte unter einem dreiteiligen Spiegel. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Hier ist nichts.«
Ich hielt die Schachtel hoch und wedelte mit dem Beipackzettel. »Dalmadorm. Es enthält Flurazepam, einen weniger starken Wirkstoff als das Flunitrazepam, das Nijman erwähnt hat. Acht Tabletten fehlen.«
Nel las den Beipackzettel. »Es hat eine äußerst lang anhaltende Wirkung. Nach drei Tagen hat man die Hälfte von dem Zeug noch im Körper.« Sie hob den Blick. »Caroline war klein, sie wog keine sechzig Kilo. Wahrscheinlich wäre sie schon von zwei oder drei Tabletten schnell weg gewesen und es dann auch geblieben. Eine lang anhaltende Wirkung?«
Sie biss sich auf die Lippen. Ich wusste, dass sie an den barmherzigen Himmel dachte und an Sterben, ohne wach zu werden. Sie gab mir den Zettel zurück und verließ das Zimmer. Ich rollte zwei von den Tabletten in ein Papiertuch, steckte sie ein und stellte die Schachtel zurück an ihren Platz im Badezimmer. Nachdem ich die Lichter ausgeschaltet hatte, folgte ich Nel nach unten.
Nel ging ins Wohnzimmer und zog die Gardinen zu. Ich öffnete die Tür zum Souterrain, schaltete das Licht ein und durchsuchte einen trostlosen Abstellraum mit verwohnten Möbeln, einem Damenfahrrad und Kisten voller Altkleider und Bücher, einen gut ausgestatteten Weinkeller und den Heizungsraum mit Therme, Gas-, Wasser- und Stromzählern. Ich sah nichts Verdächtiges, keine Spuren, keinen Ort, an dem man jemanden hätte einsperren können. Die Gastherme war ein modernes Gerät, in dem man nichts verbrennen konnte.
Als ich in das Wohnzimmer zurückkehrte, erschreckte mich ein heller Lichtblitz hinter einer halben Zwischenwand. Nel stand
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