Caroline
hielt den Atem an. Kuckuckskind war ein Titel, der wirklich gut zu Caroline passte.
Nel blieb skeptisch. »Die Putzfrau braucht nur einmal neugierig zu werden oder ihren computerbegeisterten Sohn mitzubringen …« Trotzdem klickte sie das Icon an. Der Ordner enthielt nur ein einziges Dokument: ›Das Kuckuckskind‹. Nel klickte es an und ein Manuskript füllte den Bildschirm. Das Kuckuckskind und andere ausgestoßene Jungtiere in der Natur, von Hector Zisli. Mirabel Verlag.
Nel ging es zur Sicherheit kurz durch, doch das Dokument war das, was der Titel besagte: ein Naturkundebuch. »Vielleicht hat sie das gerade lektoriert, bevor sie berühmt wurde«, meinte Nel.
Ich lachte. »Mit ihrem berüchtigten Rotstift.«
Ich hockte mich neben sie und durchsuchte den Metallcontainer unter dem Schreibtisch. Er war voller Krimskrams, mit dem sich Schreibtischschubladen unweigerlich im Laufe der Zeit füllen: Briefmarken, Zigaretten, Kontoauszüge, Fotos, alte Kugelschreiber, ein Tacker, Klebeband, Umschläge und eine Schachtel voller Hotelquittungen. Die Larue verfügte über ein dickes Bankkonto.
Während Nel sich weiterhin mit dem Computer beschäftigte, setzte ich mich auf den Boden vor die Bücherwand und schaute mir die Reihe der Ordner im untersten Fach an, die mit handgeschriebenen Etiketten wie Steuer, Finanzen, Haushalt, Verträge, Versicherungen beschriftet waren. Der Vertrag für Ein kleines Geschenk war auf den 24. Juli datiert. Es schien ein Standardvertrag zu sein, wenn auch ohne Vorschussvereinbarung, obwohl man doch hätte erwarten können, dass die Larue als Mitinhaberin von Mirabel ein lukrativeres Geschäft hätte aushandeln können. Doch uns war schon lange klar, dass es der Larue hauptsächlich um Ansehen und Ruhm ging. Geld hatte sie schon genug.
Hetty bewahrte ihre Akten, Policen und Eigentumsurkunden in einer festen blauen Mappe auf, wie man sie von Banken erhält, wenn man eine Hypothek aufnimmt. Sie hatte vor zehn Jahren 1,6 Millionen Gulden für das Haus bezahlt, die Hälfte davon finanziert über eine Hypothek, die 1999 erneuert worden war, um von den niedrigen Zinsen zu profitieren. Ihre Eltern hatten sich 1984 scheiden lassen; ihre Mutter hatte wieder geheiratet und war nach Argentinien gegangen. Ihr Vater hatte seine Baufirma kurz vor seinem Tod verkauft und laut einem Testament aus dem Jahr 1996 seinen gesamten Besitz seiner einzigen Tochter hinterlassen. Hetty besaß neben einem dicken Konto auch Anteile an Robeco und einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen.
Im Haushaltsordner fand ich zwar keine Informationen über eine Putzfrau oder einen Gärtner, wohl aber Garantiescheine für Rasenmäher, Kühlschränke und andere Geräte, Rechnungen für eine neue Therme und von ihrer Autowerkstatt. Und eine Besitzurkunde für einen niederländischen Backdecker mit 40 PS, 1996 von einem Privatmann in Harderwijk erworben.
»Die Larue besitzt ein Boot«, sagte ich. »Die Ophelia.«
Nel schloss Outlook und klickte ein Icon mit dem Titel BUCH2 an. »Ein Boot? Wo?«, fragte sie.
»Keine Ahnung, es ist ein acht Meter langes Binnenboot, eine Motorjacht. Bestimmt hat sie einen Liegeplatzvertrag. Im Gooiland und an den Randseen gibt es Häfen genug.«
Nel blickte mich von der Seite an. Sie dachte dasselbe wie ich. »Ich glaube, das sollten wir herausfinden«, sagte sie.
»Sollten wir. Hast du irgendetwas über das Personal gefunden? Ihre Putzfrau könnte wissen, ob hier jemand zu Besuch gewesen ist.«
»Ihre Putzfrau heißt Connie Henkel und wohnt in Baarn, ich habe ihre Adresse. Ansonsten habe ich E-Mails von Freunden und Verwandten gefunden, aber die kann ich nicht alle durchlesen. Die Frau hat Freunde und Bekannte, geht zu Partys, fährt zur Buchmesse nach Frankfurt und zum Wintersport in die Schweiz.« Nel drehte ihren Stuhl wieder um und sagte missmutig: »Wir können all ihre Disketten heraussuchen und sie überprüfen, bis wir schwarz werden. Wenn sie Carolines iBook vernichtet hat, kommen wir keinen Schritt weiter.«
Ich schaute auf den Bildschirm. In dem Fenster, das nur BUCH2 hieß, war eine Anzahl untereinander gedruckter Titel erschienen, in derselben Kursivschrift, die Hetty für Ein kleines Geschenk benutzt hatte. Der Regen, Rainy Days, Der Traum, Die Aussicht, Später. Erst darunter folgte Kapitel eins und ein wenig Text. »Ist es das, wofür ich es halte?«
Nel las den Text durch bis zur Mitte von Seite zwei. Weiter war die Larue nicht gekommen. Ich las mit. »Ihr luxuriöses
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