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Caroline

Caroline

Titel: Caroline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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blieb Nel zurück und ich hörte, wie sie sich übergab.
    Das hatte ich jetzt schon ein paar Mal mitbekommen.
    Kurz darauf schlüpfte sie zu mir ins Bett. Ich war sehr müde und sie auch, aber ich zog sie an mich und rollte sie auf meinen Bauch. Sie schmeckte nach Zahnpasta.
    »Was war denn das?«, fragte ich.
    »Nichts, mir ist ein bisschen schlecht, das ist ganz normal.«
    »Normal?«
    »Ja, aber nach dem dritten Monat geht das vorüber.« Sie drückte ihr Gesicht an meinen Hals und presste ihre Brüste an mich.
    »Freust du dich?«, fragte sie dann.
    Eine solche Nachricht bringt einen unwillkürlich ins Grübeln, doch zum Glück arbeitet der Verstand so rasch, dass der andere gar nicht erst das Gefühl bekommt, man würde betreten schweigen.
    Ich dachte also kurz nach und kam zu dem Schluss, dass es im Grunde ganz einfach war. Ich liebte CyberNel. Ich war am glücklichsten, wenn sie glücklich war. Dann nahm ich ihren Kopf zwischen beide Hände und hob ihr Gesicht an, damit sie mich anschauen konnte. »Ich freue mich riesig«, sagte ich und küsste sie.

 

     
11
     
    Der Bestattungsunternehmer begrüßte die wenigen Anwesenden mit den Worten, dass wir heute hier zusammengekommen seien, um von unserer geliebten Caroline Romein Abschied zu nehmen, bevor sie ihre letzte Reise antrete, als habe das arme Kind jemals die Gelegenheit gehabt, wie eine echte Globetrotterin die Welt zu erkunden.
    »Von Hilversum nach Drenthe«, flüsterte Nel. »Und einmal nach Porquerolles.«
    Ich reichte ihr mein Taschentuch.
    Wir saßen ganz hinten. Auch Ermittler Nijman war gekommen, in einem dunklen Anzug. Er saß am anderen Ende unserer Reihe, dazwischen leere Stühle.
    Ganz vorne, von uns getrennt durch ein Feld weiterer unbesetzter Plätze, verbarg Valerie ihr Gesicht unter einem extravaganten schwarzen Hut mit Schleier. Sie saß starr da, den Rücken kerzengerade. Bei Beerdigungen bestimmen meist die nächsten Angehörigen das Ausmaß der Trauerbezeugungen. Beginnen sie zu weinen oder zu wehklagen wie in einem griechischen Drama, ahmen die anderen sie automatisch nach. Valerie gab keinen Mucks von sich. Rechtsanwalt Donkers an ihrer Seite blickte stur geradeaus auf ein Glasmalereifenster über dem Sarg. Auf der anderen Seite von Valerie saß ein älterer Dandy in dunkelblauem Anzug und mit einem weißen Seidenschal um die Schultern, vermutlich ihr Agent. Der Gartenzwerg aus Drenthe und seine Frau waren als Letzte mit steifen kleinen Schritten hereingekommen und saßen mit blassen Gesichtern und wie betäubt schräg hinter ihrer Tochter. Eine blonde Frau mit dem fröhlichen Gesicht einer georgischen Bäuerin, das ebenso wenig zu diesem Anlass passte wie ihr geblümtes Kleid, saß ein paar Stühle vor Nijman. Sie hielt das Handgelenk eines etwa sechs- oder siebenjährigen Jungen umklammert, der ungeduldig zappelnd auf das Ende der Feierlichkeit wartete oder auf eine Chance, vorher zu entkommen.
    Man hatte sich kaum bemüht, der Feier eine persönliche Note zu verleihen. Noch nicht einmal ein Sträußchen Drenther Heidekraut, sondern nur ein teures Bukett weißer Lilien schmückte den Sarg, und nur der Beerdigungsunternehmer sprach einige Worte. Er las seinen Text ab und verkündete anschließend, dass im Hause der Mutter keine Kondolenzwünsche entgegengenommen, sondern Kaffee und Brötchen in einem angrenzenden Raum serviert würden. In der Trauerhalle eine kleine Elektroorgel, aber niemand spielte für Caroline und niemand hatte sich etwas Besonderes für sie ausgedacht, sodass der Sarg unter Begleitung eines deprimierenden Gedudels langsam im Fußboden versank, um anschließend eingeäschert zu werden.
    »Ich habe noch nie eine so traurige Beisetzung erlebt«, bemerkte Nel, als wir aufstanden.
    »Immer noch besser als Amazing Grace.«
    Sie brauchte nichts weiter hinzuzufügen. Wir beide wussten, dass diese Trauerfeier hauptsächlich deshalb so bedrückend war, weil niemand Caroline besonders zu vermissen schien und sie bald vergessen sein würde.
    Nijman gesellte sich zu uns, als wir die Trauerhalle verließen, um außen herum zum Kaffeetrinken zu gehen. »Wer ist die blonde Dame?«, fragte ich.
    »Mevrouw Romeins Putzfrau, sie musste ihren Sohn von der Schule abholen.«
    »Gab es keine Einwände gegen die Einäscherung?«, fragte Nel.
    Er schüttelte den Kopf. »Wir haben alles, was wir brauchen.« Und mit einem viel sagenden Blick zu mir: »Auch ihre DNA.«
    »Und der Pfarrer?«
    »Um den kümmern sich die Kollegen in

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