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Caroline

Caroline

Titel: Caroline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Drenthe.«
    »Musste Valerie sie noch identifizieren?«, fragte Nel.
    Wir blieben vor dem schlichten Park stehen.
    »Anhand von Fotos«, sagte Nijman mit einer hilflosen Geste.
    Valerie spazierte zwischen ihren beiden Begleitern auf dem Parkweg unter den Tannen entlang. Der weiße Schal des Agenten flatterte in der schwachen Herbstbrise. Die Großeltern warteten vor dem Eingang zum Kaffeesaal. Ihren Hund hatten sie an einen Baum gebunden. Er schaute brav zu Herrchen und Frauchen hinüber und wedelte mit dem Schwanz. Die geblümte Putzfrau war bereits ihrem Sohn in Richtung Brötchen und Erfrischungen gefolgt.
    »Wir konnten die Identifikation anhand des Gebisses und eines Knochenbruchs bestätigen. Das Mädchen hatte sich mit vierzehn einmal das Bein gebrochen.« Er schwieg einen Augenblick und fügte hinzu: »Bei einem Segelsportfest ihrer Schule.«
    »Ich sehe kaum Freunde und Freundinnen«, bemerkte Nel.
    »Ihre Mutter hat mir erklärt, dass keine Anzeige aufgegeben wurde«, sagte Nijman. »Ich glaube, es wurden auch keine Karten verschickt.«
    »Hat etwas darüber in der Zeitung gestanden?«
    »Nur ein unauffälliger Artikel, dass sie ertrunken sei. Die Mutter kennt den Polizeipräsidenten, und mir ist es egal, also haben wir im polizeilichen Pressebericht nicht erwähnt, dass es Mord war. Sollte es zu einem Prozess kommen, ist immer noch Zeit für entsprechende Meldungen in den Medien.« Nijman nickte dem umherspazierenden Grüppchen zu. »Ich verabschiede mich nur kurz und bin dann weg. Ich halte euch auf dem Laufenden, wie versprochen.«
    Wir schauten ihm nach, wie er dem Drenther Hund im Vorbeigehen den Kopf tätschelte und zu Valerie hinüberging, ein paar Sätze mit ihr wechselte und ihr die Hand gab. Er verbeugte sich kurz vor ihren Vasallen und verschwand in Richtung Parkplatz.
    »Ob Hetty Larue weiß, dass man sie gefunden hat?«, fragte Nel, als wir zum Kondolenzsaal gingen.
    »Ich glaube nicht, dass sie Zeit oder Interesse für die Lokalzeitung hat«, meinte ich. »Sie war in Deutschland, hatte einen Fernsehauftritt, sie gibt Interviews, sonnt sich im Rampenlicht, ist berühmt. Sie liest nur, was über sie geschrieben wird.«
    »Gut so«, sagte Nel.
    Ich schaute sie verwundert an. Mein Taschentuch war feucht gewesen, als sie es mir zurückgegeben hatte, doch jetzt klang sie verbissen und entschlossen, als feile sie an einem Racheplan.
    Die Großeltern sprachen uns an der Tür an. Wir murmelten unsere Kondolenzwünsche und sie drückten uns die Hände, als seien wir enge Freunde. Mir war nicht klar, ob sie sich wirklich freuten, uns zu sehen, oder ob sie einfach über jeden Gast bei der so spärlich besuchten Feierlichkeit dankbar waren.
    »Wie furchtbar«, flüsterte Eva Fuck entsetzt. »Warum hat sie das nur getan?«
    »Caroline hat gar nichts getan«, erwiderte Nel entschieden.
    »Aber sie hat sich doch selbst …« Die Frau wagte das Wort nicht auszusprechen und schaute Hilfe suchend ihren Mann an.
    »Es war kein Selbstmord«, sagte ich. »Falls Sie das meinen.«
    »Nein?« Ihr Gesichtsausdruck hellte sich auf. »Also war es ein Unfall?«
    Ein Unfall, damit konnte sie leben.
    »Nein«, entgegnete Nel schonungslos. »Caroline ist verunglückt. Das ist etwas anderes.«
    Nun schauten beide verwirrt von mir zu Nel. Ich drückte Nels Hand und zog sie mit hinein. Ich war wahrscheinlich der Einzige, der wusste, was sie meinte.
    Vor den Fenstern hingen Gardinen aus grünem Samt, Armstühle und kleine Tische boten Platz zum Sitzen, und auf dem weiß gedeckten Büfett standen Platten mit Brötchen und Häppchen sowie ein großer Chrombehälter, aus dem eine Serviererin Kaffee zapfte. Der Sohn der Putzfrau arbeitete sich durch eine Platte mit Würstchen im Schlafrock. Nel ging zum Kaffeebehälter und ließ sich zwei Tassen einschenken. Wir entfernten uns ein paar Schritte vom Büfett und tranken von dem Kaffee.
    Die Haushaltshilfe kam zu uns herüber, fragte, ob wir Verwandte seien, stellte sich als Valeries Putzfrau vor und erklärte, dass ihr das arme Kind schrecklich leid täte. »Was für ein furchtbares Schicksal«, sagte sie. »Karel war schon immer so alleine, und genau so ist sie auch gestorben.«
    »Hatten Sie viel Kontakt zu ihr?«, fragte ich.
    »Nein. An den Nachmittagen, an denen ich bei ihr im Dachgeschoss sauber machte, ging sie meistens weg, spazieren oder Fahrrad fahren oder ins Kino, ich weiß es gar nicht so genau. Sie hat nie viel gesagt.« Sie warf einen Blick zur Tür. »Ihre Mutter war

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