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Caroline

Caroline

Titel: Caroline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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auch praktisch nie zu Hause. Jetzt frage ich mich, ob ich nicht mehr für sie hätte tun können. Vielleicht hätte ich sie einmal mit zu uns nach Hause nehmen oder ihr etwas Leckeres mitbringen sollen, damit sie nicht immer selbst zu kochen brauchte.« Ihr breites Gesicht drückte jetzt aufrichtige Trauer aus.
    »Sie können es nicht ändern«, sagte Nel tröstend.
    »Stimmt. So was sagt man sich dann im Nachhinein.« Ihre Stimme klang brüchig. »Hinterher tut es einem Leid.
    Aber sie wurde immer so allein gelassen und hier ist auch niemand …«
    »Ich glaube, sie wollte Schriftstellerin werden«, unterbrach Nel sie. »Hat sie nicht an so einem Kurs teilgenommen?«
    Die Putzfrau nickte. »Sie hat ständig geschrieben oder sie saß an ihrem kleinen Computer, wenn ich kam. Was sie schrieb, weiß ich nicht, ich habe es mir nicht angeschaut, dazu hatte ich auch gar keine Zeit. Das Haus ist groß, und wenn nur eine Person es sauber hält, bedeutet das viel Arbeit, selbst wenn die Bewohnerin kaum da ist. Karel hat sich meistens in ihrer Dachwohnung etwas gekocht, und mit ihrer kleinen Küche hatte ich auch viel zu tun. Vielleicht schickt es sich nicht, das zu sagen, aber sehr häuslich war sie nicht.«
    »Vielleicht sollten Sie sie Caroline nennen«, bemerkte Nel freundlich. »Sie war ein Mädchen.«
    Die Frau errötete. »Ja, das ist wahr«, musste sie zugeben. »Aber alle nannten sie Karel, man gewöhnt sich eben daran, aber es ist wirklich nicht richtig. Sie hieß Caroline. O, ich muss, äh, da ist Mevrouw …«
    Die Putzfrau nickte uns zu und nahm ihren Sohn mit, als sie Valerie zur Tür hereinkommen sah, gefolgt von Donkers und dem Agenten. Ich trank von meinem Kaffee und hörte Valerie unter ihrem Schleier sagen, dass es gut sei, noch bevor die Putzfrau ihre Teilnahme ausdrücken oder ihren Sohn dazu bewegen konnte, der trauernden Dame die Hand zu geben.
    Die Herren gingen zum Büfett. Donkers nickte uns flüchtig zu und bestellte drei Kaffee. Der Dandy zupfte seinen Schal zurecht, bevor er mit Sorgfalt ein Schinkenbrötchen auswählte. Valerie war stehen geblieben, als bemerke sie uns jetzt erst. Sie machte eine kleine schreckhafte Bewegung, als der Sohn der Putzfrau an ihr vorbeirannte, sich ein Würstchen im Schlafrock vom Büfett griff und zurück nach draußen sauste, um es an den Hund zu verfüttern.
    Endlich kam sie auf uns zu. Ich stellte meinen Kaffee ab und gab ihr die Hand. Valerie nickte Nel zu und drapierte ihren Schleier über den breiten Rand ihres Hutes. Sie war und blieb eine wunderschöne, selbstbewusste Frau. Das hier würde vorübergehen, so wie alles vorüberging, Schwangerschaft, Ehe, Mutterschaft. Morgen würde sie wieder über den Laufsteg schreiten. Ihr Gesicht war blass und unbewegt, doch ihre Augen waren rundherum leicht gerötet. Vielleicht hatte sie doch ein paar Tränen vergossen, als sie vorhin ihre Tochter im Fußboden versinken sah, die danach von zwei oder drei unbekannten Herren in Hemdsärmeln in den Ofen geschoben wurde. Ich fragte mich, was sie mit der Asche vorhatte.
    »Mit euch hatte ich nicht gerechnet«, sagte sie ein wenig heiser.
    »Mich überrascht vielmehr, dass Dolf Romein nicht hier ist.«
    »Ich habe ihn nicht benachrichtigt«, sagte sie schließlich.
    »Aber er ist doch mehr oder weniger …«
    Sie unterbrach mich. »Nein, ist er nicht.«
    Richtig. Einen Herzschlag lang trat Stille ein und ich verspürte einen Stich des Mitleids. Ich schaute zu den Großeltern hinüber, die mit Brötchen und Kaffee am Fenster saßen, und fragte mich, wo die Einsamkeit begonnen hatte.
    »Ich habe überhaupt niemanden eingeladen«, fuhr Valerie fort. »Es ist schon schlimm genug ohne diese ganzen Leute …« Donkers erschien an ihrer Seite und sie nahm mit einem knappen Nicken die Tasse Kaffee von ihm entgegen, was uns um die Erklärung brachte, wen sie mit diesen ganzen Leuten meinte. Die auffälligsten Abwesenden waren natürlich die sorgsam fern gehaltenen Fotografen und Fernsehteams.
    »Hast du einen Augenblick Zeit?«, fragte ich. »Am liebsten unter vier Augen?«
    Donkers zog das passende Gesicht. Valerie fragte: »Worum geht es?«
    »Um den Mord an deiner Tochter«, sagte Nel nicht allzu laut.
    Valerie schaute zu der Serviererin am Kaffeebehälter hinüber, als verdächtige sie sie, sich als Informantin für die Presse ein Zubrot zu verdienen. Doch wahrscheinlich galt ihre Sorge nur ihrem Agenten, den sie natürlich ebenso wie ihre Eltern über die Hintergründe von Carolines

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