Caroline
Genaueres bekannt?«
»Im Grunde nicht, Mevrouw. Aber vielleicht sollte ich lieber meine Partnerin an den Apparat holen?«
»Nein, nein …«, erwiderte die Dozentin. »Sie brauchen sie meinetwegen nicht bei der Arbeit zu stören. Es handelt sich nur um eine Kleinigkeit … Caroline war eine meiner besten Schülerinnen und ich hatte immer eine Schwäche für sie. Mevrouw van Doorn und ich haben uns lange über sie unterhalten und sie bat mich, sie anzurufen, falls mir noch irgendetwas Besonderes einfiele. Ich hoffe, dass ich nicht übertrieben reagiere …«
»In unserem Beruf zählt jede Kleinigkeit, Mevrouw«, sagte ich.
»Oh. Nun, es geht um eine Sendung, die heute Morgen mit der Post gekommen ist. Ich dachte, ich rufe Sie doch lieber an. Es war ein Umschlag, in dem nur ein Zeitungsausschnitt steckte, und es muss ein älterer Ausschnitt sein, denn sie wurde doch vor ungefähr einem Monat gefunden?«
»Ging es darin um Caroline?«
»Ja, pardon, ich drücke mich wohl etwas undeutlich aus. Das ist das Alter. Es ist ein kurzer Artikel darüber, dass Segler im Gooimeer die Leiche einer jungen Frau gefunden haben, die inzwischen als Caroline Romein aus Hilversum identifiziert wurde. Laut diesem Bericht geht die Polizei von Ertrinken infolge eines Unfalls aus, wobei jedoch auch ein Selbstmord nicht ausgeschlossen wird.«
»Stand ein Datum dabei oder der Name der Zeitung?«
»Nein, rein gar nichts, es war nur diese ausgeschnittene Meldung. Auf der Rückseite ist ein Stück von einer Anzeige, also wird es wohl eine Innenseite gewesen sein.«
»Und kein Absender auf dem Umschlag?«, nahm ich an.
»Nein. Nur meine Adresse, mit einem Drucker darauf gedruckt, glaube ich.« Sie lachte kurz auf. »Das nutzt Ihnen bestimmt nichts, oder? Ich stamme aus der Zeit von Agatha Christie, da gab es noch die Schreibmaschinen mit den unregelmäßigen Buchstaben und man brauchte nur die entsprechende Maschine zu finden, im Kleiderschrank des Butlers zum Beispiel.«
Ich fiel in ihr Lachen ein. »Ist denn ein Poststempel darauf?«
»Ja, der Brief wurde in Utrecht aufgegeben. Es ist mir ein Rätsel, warum mir jemand diesen Zeitungsausschnitt geschickt hat.«
Mir war das völlig klar, aber ich konnte es Deborah Vrins ja schlecht erklären. »Vielleicht war es einer Ihrer anderen Kursteilnehmer oder kennen sie sich untereinander nicht?«
»Das würde mich wundern. Ich könnte mir noch vorstellen, dass ihre Mutter mich darüber informieren will, dass ihre Tochter verstorben ist, aber das würde sie doch bestimmt nicht auf so merkwürdige Art und Weise tun.« Es kam mir vor, als suche die Dozentin in erster Linie für sich selbst eine Erklärung. »Außerdem hat Mevrouw Romein doch bestimmt gewusst, dass Caroline den Kursus abgebrochen hat, und hielt es gewiss für unnötig, mir eine Nachricht zu schicken. Ich denke eher an einen geschmacklosen Scherz. Glauben Sie denn eigentlich an Selbstmord?«
»Wir wissen es noch nicht, Mevrouw.« Ich dankte ihr für den Anruf und ging hinüber zum Heuschober. Nel war eifrig mit Kabeln und Elektronikgeräten beschäftigt.
»Hetty«, sagte sie, als ich es ihr erzählt hatte.
»Das glaube ich auch. Sie hat das Manuskript gefunden und will Deborah Vrins loswerden. Sobald wir sicher sein können, dass es beim Verleger liegt, können wir weitermachen.« Ich beugte mich über sie und legte ihr die Hände auf den Bauch. Man konnte noch nichts erkennen, und wenn ich eine Wölbung fühlte, dann war das in erster Linie Einbildung. »Da drin alles in Ordnung?«
»Ja.« Nel wandte mir ihr Gesicht zu. »Es wird sich vieles verändern, auch für dich.«
»Vielleicht habe ich das dringend nötig.«
»Ich will es dir nicht allzu schwer machen. Zur Not ziehe ich sie hier groß, zwischen den Computern.«
»Sie?«
Nels Augen suchten die meinen. »Manchmal glaube ich, dass es ein Mädchen ist, aber ich will es gar nicht wissen.«
Ich streichelte sie. »Plagt dich deine Vormieterin?«
»Nein«, antwortete sie. »Absolut nicht, von Anfang an nicht. Jenny war ein guter Mensch, sie hat einfach nur Pech gehabt.« Sie dachte nach. »Im Grunde dieselbe Art von Pech wie Caroline. Eine andere Frau hat ihren kostbarsten Besitz begehrt. Bei Jenny war es ihr Kind, bei Caroline ihr Buch. Ich weiß, dass Jenny hier ermordet wurde, aber wir haben getan, was wir konnten, und wir haben dafür gesorgt, dass ihr Kind bei seinem Vater aufwächst. Sie spukt nicht herum, sie hat nichts gegen mich, und ich fühle mich hier
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