Caroline
für mich hätten …«
Sie spitzte die Lippen, kehrte mir ihren breiten Rücken zu und ging mir voraus in den Flur. Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihr in ein Wohnzimmer mit dunklen Möbeln, einem Esstisch und einem mit Deckchen und Kissen überladenen Sofa auf einem verschlissenen Teppich. Darauf saß eine schmollende Sechzehnjährige, ebenso kräftig gebaut wie ihre Mutter, in grauem Rock und grünem Pullover, Wollsocken und Wanderschuhen. Sie hatte auch das gleiche grob geschnittene Gesicht wie ihre Mutter, jedoch mit Pickeln, ohne Vaseline und auch ohne Make-up. Sie machte keine Anstalten aufzustehen.
»Los, jetzt geh schon«, sagte ihre Mutter unfreundlich.
»Aber was soll ich denn sagen?«, fragte sie klagend.
»Weiß ich doch nicht«, antwortete die Mutter ruppig. »Frag doch mal den Meneer hier. Der ist von der Polizei.« Das Mädchen erschrak und ich sah, wie das die Mutter auf einen praktischen Gedanken brachte. »Kommen Sie wegen Cora?«
Cora war vor Schreck aufgestanden. »Nein, Mevrouw«, sagte ich mit einem Lächeln zur Mutter.
Es schien Cora kaum zu beruhigen. »Sag einfach, dass du nichts dafür kannst«, sagte ihre Mutter. »Und beeil dich. Die machen um zwölf Uhr zu.«
Das Mädchen stampfte aus dem Zimmer hinaus. Die Tür fiel zu und kurz darauf hörte ich das Klappen der Haustür. Die Frau wies mit einer Geste auf das Sofa, auf dem die Tochter eine Kuhle hinterlassen hatte, doch ich knöpfte meinen Mantel auf und griff nach der Lehne eines Stuhls.
»Ewig dieses Theater«, schimpfte die Frau. »Das sind diese Reefpartys oder wie die heißen. Und anschließend kommen sie mit Filzläusen nach Hause. Ist zwar immer noch besser als schwanger, aber verdammt nochmal, die werden doch davor gewarnt.«
»Ja, das ist schon ein Schlamassel«, stimmte ich zu. »Hat sie keine Arbeit oder geht sie noch zur Schule?« Ich setzte mich an den Esstisch, auf dem ein Plüschläufer lag.
Sie machte ein abfälliges Geräusch. »Schon zwei Wochen kratzt und juckt sie sich und versucht die Biester mit Hundeflohpuder loszuwerden, weil sie sich nicht zum Arzt traut. Das ist doch ansteckend, die Viecher krabbeln auf einen über, bald haben wir sie alle. Stimmt doch, oder? Heute Morgen hat sie endlich den Mund aufgemacht und jetzt geht sie zum Arzt. Der kann ihr dieses rote Zeug verschreiben, brennt zwar ganz höllisch, ist aber die einzige Methode, die Mistbiester loszuwerden.«
»Hundeflohpuder?«
»Ja. Das hatten wir noch, war schon Jahre alt. Wir hatten früher mal einen Hund, aber das ist nichts in einer Mietwohnung, deshalb hat Kees ihn …« Erschrocken brach die Frau mitten im Satz ab, als fiele ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass ich mit der Justiz zu tun hatte und nicht die richtige Person war, um mir zu erzählen, dass Kees damals das Problem mit dem Hund löste, indem er ihn im Wald an einen Baum band.
Ich nutzte die winterliche Stille, um meinen Hut auf den Tisch zu legen und mein Notizbuch hervorzuholen. »Sie haben doch eine Putzstelle bei Mevrouw Larue in Eemnes«, sagte ich.
»O Gott.« Ich sah, wie sie wütend wurde. »Hat die sich etwa beschwert?«
»Hätte sie denn einen Grund dazu?«
Sie stand groß und missgelaunt auf der anderen Seite des Tisches, mit einer Hand in dem Plüschläufer kratzend, als sei er mit dem Problem ihrer Tochter infiziert. »Einen Grund? Ich sollte vielleicht besser die Klappe halten.«
»Sie gehen doch dreimal pro Woche zu ihr?«
Connie Henkel war eine Frau, die, einmal in Fahrt, ihren eigenen Gedankengängen folgte, was immer man auch sagen mochte. »Der kann man doch nichts recht machen. Ich habe noch nie in meinem Leben einen so unzufriedenen Menschen erlebt. Man könnte doch sagen: Das Weib hat alles. Ein teures Haus, einen Haufen Geld geerbt, sie hat einen netten Job nur so zum Spaß, keine Kinder, die ihr die Hucke voll nörgeln, zwei Autos, sie kann machen, was sie will, und jetzt ist sie auch noch berühmt. Vielleicht bin ich eine Meckerliese, aber ich nenne das Kind beim Namen, und bei uns wird wenigstens hin und wieder gelacht. Hetty Larue habe ich noch nie lachen sehen. Vielleicht stimmt es, dass Geld nicht glücklich macht.« Sie nickte mir viel sagend zu und wiederholte: »Dieses Weib hat alles und es ist noch nicht genug.
»Zwei Autos?«
»Einen teuren Mercedes-Sportwagen und dazu noch so einen Plastikjeep …«
»Einen Mehari?«
»Kann schon sein, jedenfalls benutzt sie ihn nur, um damit den Meentweg hinunter zu diesem neuen Hafen
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