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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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ersichtlichen Grund Cambridge Circus
zum Treffpunkt gewählt hatten.
    Die
Gebäude zwischen ihnen waren Tineff, mit Stilzutaten billig herausgeputzt: eine
romantische Bank, ein Theater wie eine große säkularisierte Moschee. Dahinter
schoben sich Hochbauten vor wie eine Armee von Robotern. Darüber füllte ein
rosa Himmel sich langsam mit Nebel.
    Warum war
es so still? fragte er sich. Das Theater hatte zwar längst Schluß gemacht, aber
warum sorgte die Vergnügungsindustrie von Soho, die nur einen Steinwurf von
seinem Fenster entfernt war, nicht dafür, daß der Platz voll von Taxis und Gruppen
von Nachtschwärmern war? Kein einziger Lastwagen mit Obst war auf dem Weg nach
Covent Garden durch die Shaftesbury Avenue gerumpelt.
    Wieder
einmal betrachtete Mendel durch seinen Feldstecher das Haus direkt gegenüber.
Es schien noch tiefer zu schlafen als seine Nachbarn. Die Doppeltüren des
Eingangs waren geschlossen und in den Fenstern des Erdgeschosses war kein Licht
zu sehen. Nur in der dritten Etage kam aus dem zweiten Fenster von links ein
bleicher Schein, und Mendel wußte, daß es das Zimmer des Diensthabenden war,
Smiley hatte es ihm gesagt. Er hob das Glas kurz zum Dach, wo ein Antennenwald
wilde Muster an den Himmel zeichnete; dann ein Stockwerk tiefer auf die vier
abgedunkelten Fenster der Funkabteilung.
    »Nachts
benutzen alle den Vordereingang«, hatte Guillam gesagt. »Dadurch spart man
Portiers ein.«
    In diesen
drei Stunden hatten nur drei Ereignisse Mendels Wachsamkeit belohnt: eines pro
Stunde ist nicht viel. Um fünf nach neun hatte ein blauer Ford Transit zwei
Männer abgesetzt, die etwas trugen, das wie eine Munitionskiste aussah. Sie
schlossen sich die Tür selber auf und wieder zu, sobald sie drinnen waren,
während Mendel seinen Kommentar ins Telefon flüsterte. Um zehn Uhr oder wenig
später war der Pendelbus angekommen: darauf hatte Guillam ihn ebenfalls
vorbereitet. Der Pendelbus sammelte heiße Dokumente von den umliegenden Dienststellen
und brachte sie übers Wochenende in den Safe des Circus. Er fuhr in Brixton
vor, in Acton und in Sarratt, in dieser Reihenfolge, sagte Guillam, zuletzt
bei der Admiralität, und war um zehn Uhr soundsoviel im Circus. An diesem Abend
kam er punkt zehn an, und dieses Mal stürzten zwei Männer aus dem Haus und
halfen beim Abladen: Mendel meldete auch dies, und Smiley bestätigte die
Meldung mit einem geduldigen: »Danke.« Saß Smiley irgendwo? Stand er im Dunkeln
wie Mendel? Mendel vermutete es. Von all den komischen Vögeln, die er je
gekannt hatte, war Smiley der komischste. Wenn man ihn sah, glaubte man, er
könne nicht allein über die Straße gehen, aber man hätte genausogut einem Igel
seinen Schutz anbieten können. Spinner, dachte Mendel. Ein Leben lang
Verbrecher gejagt, und wie ende ich? Einbruch und unbefugtes Betreten, im
Dunkeln stehen und die Spinner bespitzeln. Er hatte nie etwas für Spinner übrig
gehabt, bis er Smiley kennenlernte. Hielt sie für eine lästige Bande von
Amateuren und College-Boys; hielt sie für verfassungswidrig; dachte, das
Beste, was diese besondere Branche um ihres eigenen Wohls und des Wohls der
Öffentlichkeit willen tun könne, sei »Ja, Sir«, »Nein, Sir« sagen, und die
Unterlagen verlieren. Apropos, mit Ausnahme von Smiley und Guillam war es
genau das, was er auch an diesem Abend dachte. Kurz vor elf, also vor genau
einer Stunde, war ein Taxi gekommen. Eine gewöhnliche zugelassene Londoner
Autodroschke, die vor dem Theater hielt. Auch darauf hatte Smiley ihn hingewiesen:
es war beim Geheimdienst üblich, daß man Taxis nie bis an die Tür fahren ließ.
Manche hielten bei Foyle's Buchhandlung, manche in der Old Compton Street oder
vor einem der Geschäfte; die meisten Circus-Leute hatten ein bestimmtes Tarnziel,
Alleline zum Beispiel fuhr immer bis zum Theater. Mendel hatte Alleline noch
nie gesehen, aber er hatte seine Beschreibung, und als er ihn durch das Glas
beobachtete, erkannte er ihn zweifelsfrei, einen großen, schwerfälligen Mann
im dunklen Mantel, und er sah sogar, daß der Taxifahrer das Trinkgeld mit
saurer Miene betrachtete und ihm etwas nachrief, als Alleline nach seinen
Schlüsseln tastete.
    Die
Vordertür ist nicht gesichert, hatte Guillam ihm erklärt, sie ist nur
verschlossen. Die Sicherung beginnt erst drinnen, wenn man am Ende des
Korridors links abgebogen ist. Alleline haust in der fünften Etage. Sie werden
kein Licht in seinen Fenstern sehen, aber durch ein Oberlichtfenster fällt

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