Carre, John le
Morgen auf dem
Weg zur Botschaft und jeden Abend auf dem Heimweg an ihrem Fenster vorbei. Wenn
sie ein gelbes Plakat aushängen, mit einem Protest gegen den Verkehrslärm, dann
ist das das Signal.«
»Und bei
Nacht? Und am Wochenende?«
»Telefonanruf.
Falsche Nummer. Aber das hat niemand gern.«
»Wurde
schon einmal davon Gebrauch gemacht?«
»Weiß ich
nicht.«
»Wollen
Sie sagen, daß Sie sein Telefon nicht abhören?« Keine Antwort.
»Ich
möchte, daß Sie das Wochenende freinehmen. Würde das beim Circus Argwohn
auslösen?« Begeistert schüttelte Esterhase den Kopf. »Sie werden sich bestimmt
lieber aus der Sache raushalten, nicht wahr?« Esterhase nickte. »Sagen Sie,
Sie hätten Scherereien mit einem Mädchen, oder womit immer Sie zur Zeit
Scherereien haben. Sie werden die Nacht hier verbringen, möglicherweise zwei
Nächte. Fawn wird sich um Sie kümmern. Essen ist in der Küche. Was ist mit
Ihrer Frau?«
Während
Guillam und Smiley zusahen, wählte Esterhase die Nummer des Circus und
verlangte Phil Porteous. Er sagte sein Verschen tadellos auf: ein bißchen
Selbstmitleid, ein bißchen Verschwörung, ein bißchen Scherz. Ein Mädchen, im
Norden, das verrückt nach ihm war, Phil, und ihm mit Gräßlichem drohte, wenn er
nicht käme und Händchen hielte:
»Sagen Sie
nichts, ich weiß, so was passiert Ihnen alle Tage, Phil. He, was macht Ihre
prächtige neue Sekretärin? Und, passen Sie auf, Phil, wenn Mara von zu Hause
anruft, sagen Sie ihr, Toby ist hinter einer großen Sache her, okay? Sprengt
den Kreml in die Luft, Montag wieder da. Machen Sie's anständig und wichtig,
ja? Cheers, Phil.«
Er legte
auf und wählte dann eine Nummer im Norden von London. »Mrs. M., hallo, hier
spricht Ihr Herzensfreund, erkennen Sie die Stimme? Gut. Hören Sie, ich schicke
Ihnen heute abend einen Gast, einen alten, lieben Freund, Sie werden sich
wundern. - Sie haßt mich«, erklärte er den beiden und hielt die Hand über die Sprechmuschel.
- »Er möchte die Drähte nachprüfen«, fuhr er fort. »Schauen Sie alles durch,
überzeugen Sie sich, daß alles klappt, okay, keine schwachen Stellen, all
right?«
»Wenn er
Geschichten macht«, sagte Guillam im Hinausgehen voller Gehässigkeit zu Fawn,
»fesseln Sie ihm Hände und Füße.«
Im
Treppenhaus berührte Smiley leicht seinen Arm. »Peter, ich möchte, daß Sie
aufpassen, was sich hinter mir tut. Würden Sie das machen? Geben Sie mir ein
paar Minuten Vorsprung, dann treffen Sie mich an der Ecke der Marloes Road,
nordwärts. Bleiben Sie auf dem westlichen Gehsteig.«
Guillam
wartete, dann trat er auf die Straße. Feiner Nieselregen lag in der Luft, der
unheimlich warm war, wie Tau. Wo Lichter schienen, wallte die Feuchtigkeit in
dünnen Wolken, aber im Schatten konnte er sie weder sehen noch fühlen: nur ein
Nebel trübte die Sicht, zwang ihn, die Augen halb zu schließen. Er machte eine
Runde um die Gärten und wählte dann ein hübsches Gäßchen ziemlich weit südlich
des Treffpunkts. An der Marloes Road wechselte er auf den westlichen Gehsteig
über, kaufte eine Abendzeitung und fing an, gemütlich an Villen vorüberzuschlendern,
die weit hinten in großen Gärten standen. Er zählte die Fußgänger, die
Radfahrer und Autos, während weit vor ihm George Smiley in Sicht kam, der
steten Schrittes dahintrabte, der Prototyp des nach Hause gehenden Londoners.
»Ist es ein Team?« hatte Guillam gefragt. Smiley konnte es nicht bestimmt
sagen. »Kurz vor Abingdon Villas gehe ich über die Straße«, sagte er. »Achten
Sie auf einen Einzelgänger. Halten Sie die Augen offen!«
Während
Guillam die Augen offenhielt, hielt Smiley abrupt an, als wäre ihm gerade etwas
eingefallen, trat unbedenklich auf die Fahrbahn und schlängelte sich zwischen
den erbosten Autofahrern durch, um plötzlich auf der anderen Seite durch die
Türen eines Spirituosenladens zu verschwinden. Und als er das tat, sah Guillam
- oder glaubte zu sehen - wie eine große krumme Gestalt im dunklen Mantel ihm
nachstrebte, aber in diesem Moment hielt ein Bus an und verdeckte beide, Smiley
und seinen Verfolger; und als der Bus wieder abfuhr, mußte er den Verfolger
mitgenommen haben, denn der einzige Überlebende auf diesem Teil des Gehsteigs
war ein alter Mann mit schwarzem Plastikregenmantel und Tuchkappe, der an der
Bushaltestelle lehnte und seine Abendzeitung las; und als Smiley mit seiner
braunen Tasche wieder aus dem Spirituosenladen auftauchte, hob der Mann nicht
einmal den Kopf von der
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