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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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als er den Wachen Vorwürfe machte, bekundeten sie Verständnislosigkeit.
Noch ärgerlicher wurde er, als er erfuhr, daß die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen,
auf denen er bestanden hatte, nach dem ersten Tag gelockert worden waren. Als
er Craddox, den Leiter der Nursery, zu
sprechen verlangte, war Craddox unabkömmlich und sein Assistent stellte sich
dumm. Die Unterhaltung war stockend und banal.
    Ob Smiley
so freundlich sein wolle, die Post aus seinem Club nachzuschicken und Alleline
zu bestellen, er möge seinen Kuhhandel mit Karla ein bißchen beschleunigen?
Und er benötige Taschentücher, Papiertaschentücher für seine Nase. Daß er ständig
weine, erläuterte Haydon, habe nichts mit Reue oder Schmerz zu tun, es sei eine
rein physische Reaktion auf das, was er die Verbohrtheit der Inquisitoren
nannte, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, daß er, Haydon, die Namen
weiterer Karla-Trabanten kenne, und sie unbedingt vor seinem Weggang erfahren
wollten. Außerdem gebe es eine Richtung, die dafürhielt, daß Fanshaw von den Christ
Church Optimates als Talentsucher sowohl für die Moskauer Zentrale
wie für den Circus tätig gewesen sei. Dazu erklärte Haydon: »Ehrlich, was soll
man mit solchen Eseln anfangen?« Trotz seines geschwächten Zustands gelang es
ihm, den Eindruck zu vermitteln, daß er der einzige verständige Mensch weit
und breit sei. Sie machten einen Spaziergang, und Smiley stellte mit gelinder
Verzweiflung fest, daß im ganzen Umkreis keine Wachen patrouillierten, weder
bei Nacht noch bei Tag. Nach einer Runde bat Haydon, wieder in die Hütte
zurückzugehen, wo er ein Fußbodenbrett losmachte und ein paar mit Hieroglyphen
bedeckte Blätter hervorholte. Sie erinnerten Smiley wider Willen an Irinas
Tagebuch. Er hockte sich aufs Bett und sortierte sie, und in dieser Haltung,
dem trüben Licht, mit der langen Haarsträhne, die fast bis auf das Papier hing,
hätte er wieder wie damals in den sechziger Jahren in Controls Büro
herumlungern und irgendein wundervoll eingängiges und gänzlich
undurchführbares Projekt zum größeren Ruhme Englands entwickeln können. Smiley
machte sich nicht die Mühe, irgend etwas niederzuschreiben, denn es war ihnen
beiden völlig klar, daß ihr Gespräch ohnehin mitgeschnitten wurde. Der Bericht
begann mit einer langen Rechtfertigung, von der Smiley sich später nur an ein
paar Sätze erinnerte:
    »Wir leben
in einer Zeit, in der nur noch grundsätzliche Fragen Beachtung verdienen ...«
    »Die
Vereinigten Staaten sind nicht mehr in der Lage, ihre Revolution selber zu
unternehmen ...«
    »Die
politische Potenz des Vereinigten Königreichs ist ohne jegliche Relevanz oder
moralische Lebensfähigkeit in der Weltpolitik ...«
    Vielen
dieser Behauptungen hätte Smiley unter anderen Gegebenheiten zugestimmt: es
war mehr der Ton als die Musik, was ihn abstieß. »Im kapitalistischen Amerika
ist die Unterdrückung in einem Maß institutionalisiert, das nicht einmal Lenin
hätte vorhersehen können...«
    »Der Kalte
Krieg begann 1917, aber die schwersten Kämpfe liegen noch vor uns, denn Amerika
wird von seinem Todesdelirium zu immer größeren Exzessen in anderen Ländern
getrieben ...« Er sprach nicht vom Verfall des Westens, sondern von seinem Tod
durch Habgier und Verstopfung. Er hasse Amerika zutiefst, sagte er, und Smiley
nahm es ihm ab. Haydon sah ferner als erwiesen an, daß die Geheimdienste der
einzig reale Maßstab für die politische Gesundheit einer Nation waren, der
einzige reale Ausdruck ihres Unterbewußtseins.
    Schließlich
kam er zu seinem eigenen Fall. In Oxford, sagte er, habe er aufrichtig rechts
gestanden, und im Krieg sei es ziemlich belanglos gewesen, wo man gestanden habe,
solange man gegen die Deutschen kämpfte.
    Nach '45,
sagte er, habe er sich eine Zeitlang mit Englands Rolle in der Welt
zufriedengegeben, bis ihm nach und nach dämmerte, wie unbedeutend diese Rolle
gewesen sei. Wie und wann das geschah, blieb ein Geheimnis. Er konnte nicht
angeben, bei welcher Gelegenheit sein historisches Weltbild diesen schweren
Schock erlitten hatte: er wußte nur, wenn England nicht mehr mit von der Partie
sei, so werde sich der Fischpreis nicht um einen Penny ändern. Er hatte sich
oft selber die Frage gestellt, auf welcher Seite er stehen werde, wenn die
entscheidende Prüfung jemals käme; nach langem Überlegen hatte er sich
schließlich eingestehen müssen: falls nur einer der beiden Monolithen die
Schlacht gewinnen sollte, würde ihm der Osten als

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