Carre, John le
bin fast verrückt
geworden, als ich es nachher wieder zusammenkriegen wollte.«
»Aber Sie
haben's geschafft«, sagte Guillam kurz. Ja, bestätigte Tarr; so ziemlich. Er
wußte, daß sie ihm nicht die volle Wahrheit gesagt hatte, aber er wußte, wie
schwer die Wahrheit einer Frau fallen mußte, die seit ihrem fünfzehnten Jahr
unter falschem Namen gelebt hatte, und er fand, daß sie es für den Anfang
schon recht nett machte.
»Ich
fühlte sozusagen mit ihr«, sagte er, wiederum in seinem verlogenen
Bekennerton. »Ich fühlte, daß wir auf der gleichen Wellenlänge waren,
ungelogen.«
»Bestimmt«,
ließ Lacon sich ausnahmsweise vernehmen. Er war sehr blaß, aber ob der Ärger
daran schuld war oder das ständig heller werdende Licht des frühen Morgens, das
durch die Läden kroch, ließ sich nicht sagen.
Ricki Tarr enthüllt seine
Methoden, London Station hüllt sich in Schweigen
»Nun war
ich in einer vertrackten Situation. Ich sah Irina am nächsten und übernächsten
Tag, und ich schätzte, wenn sie nicht überhaupt schon schizoid war, so würde
sie es verdammt bald werden. Im Augenblick faselte sie davon, daß sie von Percy
einen Job im Circus kriegte und für Oberst Thomas arbeitete, brach dann einen
Streit mit mir vom Zaun, ob sie Leutnant oder Major werden würde. Im nächsten
Augenblick sagte sie, sie wolle nie wieder für irgend jemanden spionieren und
werde Blumen züchten und sich mit Thomas im Heu tummeln. Dann kriegte sie die
Klostertour: Baptistennonnen würden ihre Seele reinwaschen. Ich bin fast
gestorben. Wer zum Teufel hat jemals von Baptistennonnen gehört, fragte ich
sie. Egal, sagte sie, die Baptisten seien die Wucht, ihre Mutter sei Bäuerin
und kenne sich aus. Das sei das zweitgrößte Geheimnis, das sie mir jemals
anvertrauen werde. >Und was ist dann das größte?< frage ich. Fehlanzeige.
Sie sagt lediglich, wir seien in tödlicher Gefahr, in größerer Gefahr, als ich
wissen könne: keiner von uns hätte noch die geringste Chance, es sei denn, sie
könne dieses Schwätzchen mit Bruder Percy halten. >Was für eine Gefahr, um
Gottes willen? Was weißt du, was ich nicht weiß?< Sie war wahnsinnig stolz
auf ihr Wissen, aber als ich sie drängte, klappte sie zu wie eine Auster, und
ich bekam höllische Angst, sie könnte heimsausen und alles brühwarm Boris erzählen.
Außerdem wurde die Zeit knapp. Es war schon Mittwoch, und die Delegation sollte
am Freitag nach Moskau zurückfliegen. Irina war technisch gesehen nicht ganz
ohne, aber wie konnte ich einer Irren wie ihr vertrauen? Sie wissen, wie Frauen
sind, wenn sie sich verlieben, Mr. Smiley. Sie können kaum . . .« Guillam war
ihm ins Wort gefallen. »Bleiben Sie gefälligst beim Thema, ja?« befahl er, und
Tarr schwieg eine kleine Weile. »Mit Sicherheit wußte ich nur, daß Irina überlaufen
wollte - mit Percy sprechen, nannte sie es -, sie hatte noch drei Tage Zeit,
und je eher sie absprang, um so besser für alle. Wenn ich noch lange wartete,
würde sie es sich wieder ausreden. Also riskierte ich es und suchte Thesinger
auf, sofort, nachdem er seinen Laden aufgemacht hatte.«
»Mittwoch,
der elfte«, murmelte Smiley. »In London ganz früh am Morgen.«
»Thesinger
muß mich für ein Gespenst gehalten haben. >Ich muß nach London
telegrafieren, persönlich für den Leiter von London Station<, sagte ich. Er
wehrte sich mit Händen und Füßen, aber er ließ mich dann doch. Ich setzte mich
an seinen Schreibtisch und verschlüsselte selber die Botschaft nach einem
alten Code, während Thesinger mir zusah wie ein kranker Hund. Wir mußten das
Ganze auf Handelscode zurechtstutzen, denn Thesingers Tarnung war das
Exportgeschäft. Das dauerte nochmals eine halbe Stunde. Ich war völlig fertig,
wirklich. Dann verbrannte ich den verdammten Code und tippte die Nachricht in
den Apparat. Außer mir wußte damals kein Mensch auf der Welt, was die Zahlen
auf diesem Blatt Papier bedeuteten, auch Thesinger nicht. Ich forderte volles Überläuferverfahren
für Irina an, Schnellverfahren. Ich erbat alle die Vergünstigungen, von denen
sie nicht einmal gesprochen hatte: Bargeld, Paß, neue Identität, kein Rampenlicht
und einen Ort zum Leben. Schließlich war ich gewissermaßen ihr Sachwalter,
nicht wahr, Mr. Smiley?«
Smiley
blickte auf, als überraschte ihn die Anrede. »Ja«, sagte er ganz freundlich,
»ja, ich nehme an, das waren Sie, gewissermaßen.«
»Und
außerdem war er auch real beteiligt, wie ich ihn kenne«, sagte Guillam
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