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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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Gewohnheitsrecht«, sagte Guillam trocken. »Inoffiziell, aber dauerhaft.«
    »Es gibt
heutzutage viele, die's auf die andere Tour machen«, sagte Tarr mit gemeinem
Grinsen zu niemandem im besonderen und schon gar nicht zu Smiley, und Guillam
warf ihm einen weiteren giftigen Blick zu.
     
    Ricki Tarr erzählt, wie er einen
schüchternen Fuß ins Land der Liebe setzte
     
    Vom ersten
Augenblick der Besprechung an hatte George Smiley eine undurchdringliche
Buddha-Pose eingenommen, aus der ihn weder Tarrs Bericht noch Lacons und
Guillams gelegentliche Zwischenbemerkungen aufzurütteln vermochten. Er saß
zurückgelehnt, die kurzen Beine angewinkelt, den Kopf vorgereckt und die
plumpen Hände vor dem ausladenden Magen gefaltet. Die Augen unter den
überhängenden Lidern hatten sich hinter den dicken Brillengläsern geschlossen.
Als einziges Zeichen von Unruhe polierte er von Zeit zu Zeit seine Brille am
Seidenfutter der Krawatte, und sooft er das tat, hatten seine Augen einen
verquollenen, nackten Blick, der jeden, der ihn in diesem Moment beobachtete,
in leichte Verlegenheit setzte. Sein Einwand jedoch und der gekünstelte,
nichtssagende Laut, den er auf Guillams Erklärung hin ausgestoßen hatte,
wirkten nun auf die übrige Versammlung wie ein Signal und veranlaßte
allgemeines Stühlescharren und Räuspern. Lacon meldete sich als erster:
»George, was trinken Sie? Darf ich Ihnen einen Scotch geben oder sonstwas?« Er
bot den Drink so fürsorglich an wie ein Aspirin gegen Kopfschmerz. »George,
einen zum Aufwärmen, ja? Es ist schließlich Winter. Ein Schlückchen?«
    »Ich bin
ganz zufrieden, danke«, sagte Smiley. Er hätte gern eine Tasse Kaffee aus der
Maschine gehabt, aber irgendwie fühlte er sich außerstande, darum zu bitten.
Außerdem erinnerte er sich, daß Lacons Kaffee abscheulich war. »Guillam?«
wandte Lacon sich an den nächsten. Nein; auch Guillam fand es unmöglich, von
Lacon ein alkoholisches Getränk anzunehmen.
    Tarr wurde
nichts angeboten, und er fuhr in seiner Berichterstattung fort.
    Er habe
Irinas Anwesenheit gefaßt hingenomnen, sagte er. Ehe er ins Haus ging, hatte er
sich einen Fluchtweg zurechtgelegt, und jetzt schritt er zur Tat. Er zog keine
Kanone oder schlug sie mit der Hand auf den Mund oder dergleichen Humbug, wie
er sich ausdrückte, sondern sagte, er sei gekommen, um mit Boris eine
Privatangelegenheit zu besprechen, sie solle entschuldigen, aber er werde
verdammt noch mal solange hier sitzenbleiben, bis Boris auftauche. In gutem
Australisch, wie es einem erzürnten Autoverkäufer von dort unten anstand,
erklärte er, er wolle sich zwar nicht in andrer Leute Angelegenheiten
einmischen, aber er wolle verdammt sein, wenn er sich in einer einzigen Nacht
sein Mädel und sein Geld stehlen lasse, von einem lausigen Russen, der für
seinen Spaß nicht zahlen könne. Er steigerte sich in große Erbitterung, achtete
jedoch darauf, leise zu sprechen, und dann wartete er, was sie tun würde. Und
damit, sagte Tarr, fing die ganze Geschichte an. Er hatte Boris' Zimmer um elf
Uhr dreißig betreten. Er ging um halb zwei, mit dem Versprechen, in der
nächsten Nacht wiederzukommen. Inzwischen hatte die Situation sich völlig
gewandelt: »Wir haben natürlich nichts Ungehöriges getan. Nur rein platonisch,
ja, Mr. Smiley?«
    Einen
Augenblick schien es, als spielte dieses Geblödel auf Smileys kostbarste
Geheimnisse an. »Ja«, bestätigte er schwach.
    An Irinas
Anwesenheit in Hongkong war nichts Ausgefallenes, und es war nicht einzusehen,
daß Thesinger davon wissen mußte, erklärte Tarr. Sie war gelernte
Textilverkäuferin: »Nebenbei, sie war bedeutend fähiger als ihr Alter, wenn ich
ihn so nennen darf. Sie war keine Schönheit, ein bißchen blaustrümpfig für
meinen Geschmack, aber sie war jung, und ihr Lächeln reizend, als sie zu weinen
aufhörte.« Tarr malte ein Genrebildchen. »Sie war ein nettes Mädchen«, betonte
er, als müsse er sie gegen eine Mehrheit verteidigen. »Als Mr. Thomas aus
Adelaide in ihr Leben trat, war sie völlig am Ende vor Sorgen, was sie mit dem
verteufelten Boris anfangen sollte. Für sie war ich der Engel Gabriel. Wem
konnte sie von ihrem Mann erzählen, ohne damit die Hunde auf ihn zu hetzen? Sie
hatte in der Delegation keine Freunde, auch zu Hause in Moskau hatte sie
niemanden, dem sie vertrauen konnte, sagte sie. Niemand, der das nicht selber
mitgemacht habe, könne je wissen, was es bedeute, eine zerbrochene Verbindung
weiterzuführen, wenn man ständig

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