Carre, John le
»verschimmeln« resignieren meinte, dann hatte sie sein Bestreben richtig
beurteilt. Er hatte versucht, ehrlich versucht, als er sich seinem, wie die
Versicherungsprospekte es mit Vorliebe nannten, Lebensabend näherte, einen
mustergültigen Rentier abzugeben; obgleich niemand, und
am allerwenigsten Ann, ihm diese Mühe dankte. Sooft er am Morgen sein Bett verließ,
sooft er es des Abends, meist allein, wieder aufsuchte, hatte er sich
eingehämmert, daß er nicht unentbehrlich sei und es niemals war. Er hatte sich
das Bekenntnis eingepaukt, daß er in jenen elenden letzten Monaten von
Controls Amtsführung, als eine Katastrophe die andere jagte, die Dinge viel zu
überspitzt gesehen hatte. Und wenn jetzt der alte Amtsadam in ihm rebellierte
und sagte: du weißt, daß es mit dem Circus bergab ging,
du weißt, daß Jim Prideaux verraten wurde;
nun, hatte er erwidert, und wennschon? »Es ist schiere Eitelkeit, zu glauben,
daß als einziger Mensch ein fetter, älterer Spion imstande wäre, die Welt zusammenzuhalten«,
ermahnte er sich. Und bei anderen Gelegenheiten: »Ich habe noch nie gehört, daß
irgendwer bei seinem Ausscheiden aus dem Circus keine unvollendete
Arbeit zurückgelassen hätte.« Nur Ann weigerte sich, diesen Schluß
anzuerkennen, zu dem er mit soviel Mühe gelangt war. Sie ereiferte sich sogar,
wie nur Frauen sich über geschäftliche Dinge ereifern können, sie drängte ihn,
umzukehren, seine Arbeit dort wieder aufzunehmen, wo er sie abgebrochen hatte,
nicht unter billigen Argumenten vom Kurs abzugehen. Nicht daß sie etwas gewußt
hätte, aber welche Frau hat sich jemals von einem Mangel an Wissen aufhalten
lassen? Sie fühlte. Und verachtete ihn, weil er nicht in Übereinstimmung mit
ihrem Fühlen handelte.
Und jetzt,
genau in dem Moment, als er endlich so weit war, an sein eigenes Dogma zu
glauben, ein Schritt, der ihm durch Anns Verliebtheit in einen stellenlosen
Schauspieler nicht leichter gemacht wurde, was passiert jetzt? Die vollzählig
versammelten Gespenster aus seiner Vergangenheit: Lacon, Control, Karla,
Alleline, Esterhase, Bland und zu guter Letzt Bill Haydon persönlich stürmen
in seine Zelle und teilen ihm strahlend mit, während sie ihn wieder zurück in
den gleichen Garten zerren, daß alles, was er Eitelkeit genannt hatte, Wahrheit
sei! Haydon, wiederholte er leise, denn er konnte sich nicht mehr gegen die
Flut der Erinnerungen wehren. Schon der Name versetzte ihm einen Stoß. »Ich habe
gehört, Sie und Bill hätten einst alles miteinander
geteilt«, sagte Martindale.
Er starrte
auf seine pummeligen Hände und sah, wie sie zitterten. Zu alt? Impotent? Angst
vor der Jagd? Oder Angst vor dem, was er am Ende aufstöbern würde?
»Für das
Nichttun gibt es immer ein Dutzend Gründe«, sagte Ann mit Vorliebe - es war
tatsächlich eine treffliche Rechtfertigung vieler ihrer Seitensprünge. »Für
das Tun gibt es nur einen Grund. Nämlich,
daß man es will.« Oder muß? Ann würde das leidenschaftlich verwerfen: Zwang,
würde sie sagen, ist nur ein anderes Wort für »tun, was man will«; oder für
»nicht tun, wovor man sich fürchtet«.
Mittlere
Kinder weinen länger als ihre Geschwister. Jackie Lacon lag an der Schulter
ihrer Mutter, um ihren Schmerz und den verletzten Stolz zu beschwichtigen, und
beobachtete den Aufbruch der Gäste. Zuerst zwei Männer, die sie noch nie
gesehen hatte, der eine groß und schlank, der andere kurz und dunkel. Sie
fuhren in einem kleinen grünen Lieferwagen weg. Niemand winkte ihnen nach, wie
sie feststellte, oder sagte auch nur auf Wiedersehen. Dann fuhr ihr Vater in
seinem Wagen weg und schließlich gingen ein schöner blonder Mann und ein
kleiner fetter in einem viel zu großen Mantel zu einem Sportwagen, der unter
den Birken geparkt war. Zuerst glaubte sie, mit dem Fetten müsse etwas nicht
stimmen, er folgte dem anderen so langsam und mühselig. Aber als er sah, daß
der schöne Mann ihm die Wagentür hielt, schien er aufzuwachen und fiel in
einen schwerfälligen Trab. Aus unerfindlichen Gründen regte diese Szene sie von
neuem auf. Eine Woge von Kummer erfaßte sie, und ihre Mutter konnte sie nicht
trösten.
Peter
Guillam folgt den Spuren eines »Maulwurfs« und findet die Jagd nicht
ungefährlich
Peter
Guillam war ein ritterlicher Mann, dessen bewußte Loyalität durch seine Gefühle
der Zuneigung bestimmt wurde. Seine angeborene Loyalität gehörte seit vielen
Jahren dem Circus. Sein Vater, ein französischer Geschäftsmann, hatte
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