Carre, John le
während
des Krieges für Haydons reseau spioniert,
während die Mutter, gebürtige Engländerin, geheimnisvollen Beschäftigungen mit
Chiffren nachging. Guillam selber hatte bis vor acht Jahren, als Angestellter
eines Transportunternehmens getarnt, seine eigenen Agenten in Französisch
Nordafrika gehabt, ein ausgesprochenes Himmelfahrtskommando. Sein Netz flog
auf, seine Agenten wurden gehenkt, und für ihn begannen die langen Jahre des
gestrandeten Profis mittleren Alters. Er verrichtete in London
Gelegenheitsarbeiten, manchmal für Smiley, leitete ein paar Inlandseinsätze,
dirigierte ein Netz von Freundinnen, die, wie es im Fachjargon hieß, nicht
rundgeschaltet waren, und als Allelines Clique ans Ruder kam, wurde er nach
Brixton abgeschoben, vermutlich, weil er die falschen Beziehungen hatte, unter
anderem Smiley. So hätte er bis vergangenen Freitag ganz entschieden seine
Lebensgeschichte dargestellt. Seine Verbindung zu Smiley hätte er sich
größtenteils für den Schluß aufgehoben. Guillam wohnte damals vorwiegend in den
Londoner Docks, wo er unter den vereinzelten polnischen und russischen Matrosen,
die er und einige Talentsucher aufgetan hatten, ein untergeordnetes Marinenetz
zusammenstellte. Zwischendurch saß er immer wieder in einem kleinen Zimmer im
Erdgeschoß des Circus, tröstete ein hübsche Sekretärin namens Mary und war ganz
zufrieden, abgesehen davon, daß keiner, der etwas zu sagen hatte, jemals seine
Aktennotizen beantwortete. Wenn er das Telefon benutzte, war entweder besetzt,
oder es meldete sich niemand. Er hatte gerüchtweise etwas von Schwierigkeiten
gehört, aber es gab dauernd Schwierigkeiten. So war zum Beispiel allgemein
bekannt, daß Alleline und Control einander in der Wolle hatten, aber darin
bestand schon seit Jahren ihre Hauptbeschäftigung. Er wußte ferner, genau wie
alle anderen, daß eine großangelegte Sache in der Tschechoslowakei geplatzt war
und daß Jim Prideaux, der Chef der Skalpjäger, der älteste Tschechen-Spezialist
und Bill Haydons lebenslanger Gefährte, angeschossen und erwischt worden war.
Daher vermutlich das unüberhörbare Schweigen und die düsteren Mienen. Daher
auch Bill Haydons rasender Zorn, der durchs ganze Haus seine Wellen schlug; wie
Gottes Zorn, sagte Mary, der ausgewachsene Leidenschaften imponierten. Später
hörte er die Katastrophe als »Operation Testify« bezeichnen. Testify, so sagte
Haydon ihm später, sei die stümperhafteste Operation gewesen, die jemals ein
alter Mann um seines welkenden Ruhmes willen angezettelt habe, und Jim
Prideaux sei der Preis dafür.
Einiges
darüber war in die Zeitungen gelangt, es gab Anfragen im Parlament und sogar
Gerüchte - die offiziell nicht bestätigt wurden -, daß britische Truppen in
Deutschland in höchster Alarmbereitschaft seien.
Schließlich,
nachdem er sich lange genug in allen möglichen Büros herumgetrieben hatte,
ging ihm auf, was allen anderen schon vor sechs Wochen aufgegangen war. Der
Circus schwieg nicht nur, er war eingefroren. Nichts kam herein, nichts ging
hinaus; jedenfalls nicht auf der Ebene, auf der Guillam sich bewegte. Alle
Mächtigen des Hauses waren wie vom Erdboden verschluckt, und als der Zahltag
kam, steckten keine dicken Kuverts in den Fächern, weil, laut Mary, die
Personalabteilung nicht die übliche allmonatliche Anweisung erhalten habe, sie
auszugeben. Dann und wann berichtete jemand, er habe Alleline beim Verlassen
seines Clubs gesehen, ausgesprochen verbiestert. Oder Control beim Einsteigen
in seinen Wagen, ausgeprochen sonnig. Oder daß Bill Haydon seine Entlassung
eingereicht habe, mit der Begründung, daß er übergangen oder unterlaufen
worden sei, aber Bill reichte ständig seine Entlassung ein. Dieses Mal jedoch,
wie das Gerücht wissen wollte, aus andersgearteten Gründen: Haydon sei wütend
darüber, daß der Circus sich weigere, den Tschechen den Preis für Jim Prideaux'
Freilassung zu zahlen; sie verlangten angeblich zu viel an Agenten oder an
Prestige. Und daß Bill einen seiner Ausbrüche von Chauvinismus gehabt und
erklärt habe, jeder Preis sei angemessen, wenn man dafür einen Engländer
zurückbekomme: gebt ihnen alles, was sie wollen, aber holt Jim zurück.
Dann
erschien eines Abends Smiley unter Guillams Tür und lud ihn zu einem Drink ein.
Mary wußte nicht, wer er war, und sagte nur in ihrem einstudiert klassenlosen
Tonfall «Hallo«. Als sie Seite an Seite den Circus verließen, wünschte Smiley
den Kontrollbeamten ungewöhnlich knapp gute
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