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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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hierher
gebracht hatte, hielt ihn nun zurück. Nichts, keine kurzfristige Dividende war
im Augenblick das Risiko wert, Herrn Kretzschmar zu vergrämen und den Weg zu
Otto Leipzig zu versperren.
    »Und Otto hat Ihnen sonst weiter
nichts über dieses Ziel gesagt?« fragte Smiley, nur um irgendwas zu fragen; um
das Gespräch zum Abschluß zu bringen.
    »Im Verlauf des Abends kam er
einmal zu mir herauf. Hierher. Er entschuldigte sich bei den anderen und kam
hierher, um sich zu vergewissern, daß alles plangemäß verlief. Er schaute auf
den Bildschirm da und lachte. >Jetzt hab' ich ihn in der Zange, und er kann
nicht mehr raus<, sagte er. Ich habe nicht weiter gefragt. Das war alles.«
     
    Herr Kretzschmar schrieb seine
Instruktionen für Smiley auf einer Schreibunterlage aus Leder mit Goldecken.
    »Otto lebt in schlimmen
Verhältnissen«, sagte er. »Daran kann man nichts ändern. Sein sozialer Status
läßt sich durch Geldzuwendungen nicht verbessern. Er bleibt-« Herr Kretzschmar
zögerte, »- er bleibt im Herzen, Herr Max, ein Zigeuner. Mißverstehen
Sie mich nicht.«
    »Werden Sie ihm melden, daß ich
komme?«
    »Wir haben abgemacht, auf
telefonische Verständigung zu verzichten. Es besteht keinerlei offizielle
Verbindung mehr zwischen uns.« Er reichte ihm das Blatt Papier. »Ich rate
Ihnen dringend, sich vorzusehen«, sagte Herr Kretzschmar. »Otto wird sehr
zornig sein, wenn er erfährt, daß der alte General erschossen worden ist.« Er
begleitete Smiley zur Tür. »Wieviel haben sie Ihnen drunten berechnet?«
    »Wie, bitte?«
    »Im Lokal unten. Wieviel haben Sie
bezahlt?«
    »Einhundertfünfundsiebzig Mark
Mitgliedsbeitrag.«
    »Mit den Getränken mindestens
zweihundert. Ich werde Anweisung geben, daß man Ihnen den Betrag am Eingang
zurückerstattet. Ihr Engländer seid recht arm geworden. Zuviele Gewerkschaften.
Wie hat Ihnen die Show gefallen?«
    »Sehr künstlerisch«, sagte Smiley.
    Herrn Kretzschmar schien diese
Antwort zu gefallen. Er klopfte Smiley auf die Schulter.
    »Vielleicht sollten Sie sich ein
bißchen mehr amüsieren in Ihrem Leben.«
    »Hätte ich vielleicht tun sollen«,
pflichtete Smiley bei.
    »Grüßen Sie Otto von mir«, sagte
Herr Kretzschmar.
    »Werde ich nicht verfehlen«,
versprach Smiley.
    Herr Kretzschmar zögerte, und
wieder flog über sein Gesicht ein Schatten von Ratlosigkeit.
    »Und Sie haben nichts für mich?«
wiederholte er. »Keine Papiere, zum Beispiel?«
    »Nein.«
    »Schade.«
    Als Smiley ging, war Herr
Kretzschmar bereits wieder am Telefon und nahm weitere spezielle Anliegen
entgegen.
     
    Er kehrte in sein Hotel zurück. Er
wurde eingelassen von einem betrunkenen Nachtportier, der Smiley Wundersames zu
berichten wußte über die herrlichen Mädchen, die er ihm aufs Zimmer schicken
könnte. Der Klang von Kirchenglocken und das Tuten der Schiffe, das der Wind
vom Hafen herüberwehte, weckte ihn auf, wenn er überhaupt geschlafen haben sollte.
Doch es gibt Alpträume, die nicht dem Tageslicht weichen, und als er in seinem
gemieteten Opel durch die Marschen nach Norden fuhr, lauerten in den
Nebelschwaden die gleichen Schreckensbilder, die ihn die ganze Nacht hindurch
gepeinigt hatten.
     
     

17
     
     
     
     
    Die Straßen waren so leer wie die
Landschaft. Durch Risse im Nebel erhaschte sein Blick hier einen Flecken
Getreidefeld, dort ein rotes Bauernhaus, das sich tief zusammengeduckt gegen
den Wind stemmte. Auf einem blauen Schild stand »Kai«. Er schwenkte scharf in
eine Laderampe ein, fuhr steil hinunter und sah vor sich die Pier, eine
Ansammlung grauer Baracken, die vor den Decks der Frachtschiffe zwergisch
wirkten. Ein weiß-roter Schlagbaum versperrte den Weg, und an einer Tafel waren
Zollvorschriften in mehreren Sprachen angeschlagen. Keine Menschenseele weit
und breit. Smiley stoppte, stieg aus und ging leichtfüßig zur Schranke. Der
rote Druckknopf war so groß wie eine Untertasse. Er drückte darauf, und das
Kreischen der Klingel scheuchte ein Fischreiherpaar auf, das in den weißen
Nebel flatterte. Zu seiner Linken stand ein Wachturm auf Röhrenbeinen. Er
hörte eine Tür knallen und ein Metallgeräusch und sah eine bärtige Gestalt in
blauer Uniform die Eisenstiege herunterstapfen. Von der untersten Treppe aus
rief der Mann ihm zu: »Was wollen Sie denn?« Ohne auf eine Antwort zu warten,
ließ er den Schlagbaum hochgehen und winkte Smiley weiter. Die von Kranen
gesäumte und vom nebelweißen Himmel plattgedrückte Schotterdecke wirkte wie
zerbombt und mit

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