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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Beton ausgeflickt.
    Die flache See dahinter schien zu
zerbrechlich für die Last so vieler Schiffe. Er schaute in den Rückspiegel und
sah die Turmspitzen einer Hafenstadt wie auf einem alten Stich halb ins Bild
hineinragen. Er schaute aufs Meer hinaus und sah durch den Nebel eine Linie
aus Bojen und Baken, die die Wassergrenze zu Ostdeutschland markierte und den
Beginn von siebeneinhalbtausend Meilen Sowjetimperium. Dahin sind die Reiher
geflogen, dachte er. Er fuhr im Kriechtempo zwischen weiß-roten Richtungskegeln
auf einen Container-Parkplatz zu, auf dem Wagenreifen und Holzbalken gestapelt
waren. >Links vom Container-Parkplatz<, hatte Herr Kretzschmar gesagt.
Gehorsam bog Smiley nach links ab und hielt nach einem alten Haus Ausschau, obgleich
ein altes Haus auf diesem hanseatischen Schuttabladeplatz ein Ding der
Unmöglichkeit schien. Aber Herr Kretzschmar hatte gesagt: >Halten Sie
Ausschau nach einem alten Haus, auf dem >Büro< steht<, und Herr
Kretzschmar irrte sich nie.
    Er rumpelte über ein Bahngleis und
hielt auf die Frachter zu. Die Morgensonne war durch den Nebel gebrochen und
ließ den weißen Anstrich der Schiffe aufblitzen. Er fuhr in eine Allee aus
Kransteuerwarten ein, die alle wie moderne Stellwerke aussahen, mit grünen
Hebeln und großen Fenstern. Und da, am Ende der Allee, stand, genau wie Herr
Kretzschmar versprochen hatte, das alte Wellblechhaus mit einem hohen
Blechgiebel, der einer Laubsägearbeit glich und von einem abblätternden
Flaggstock gekrönt war. Die elektrischen Versorgungsleitungen schienen das
Haus aufrecht zu halten. Neben der Kate stand ein alter, tröpfelnder Brunnen
mit einem angeketteten Blechkrug. Auf der Holztür stand in verblaßten gotischen
Lettern das Wort >Bureau<, in französischer Schreibweise, nicht in
deutscher, und darüber eine Inschrift neueren Datums >P. K. Bergen,
Import-Export<. Er arbeitet dort nachts, hatte Herr Kretzschmar
gesagt. Was er tagsüber treibt, das wissen nur Gott und der Teufel.
    Er drückte auf die Klingel und trat
dann gebührend zurück, so daß er gut sichtbar war. Er steckte die Hände nicht
in die Taschen und sorgte dafür, daß sie außerdem noch gut sichtbar waren. Er
hatte seinen Mantel bis oben zugeknöpft. Er trug keinen Hut. Den Wagen hatte er
seitlich vom Haus geparkt, so daß man von drinnen sehen konnte, daß er leer
war. Ich bin allein und unbewaffnet, versuchte er zu sagen. Ich
stehe nicht auf Seiten der anderen,
sondern auf Ihrer. Er läutete nochmals und
rief »Herr Leipzig!« Oben ging ein Fenster auf, und eine hübsche Frau sah
heraus. Sie hatte schwarze Ringe unter den Augen und eine Decke um die
Schultern geschlungen.
    »Verzeihen Sie bitte«, rief Smiley
höflich zu ihr hinauf. »Ich suche Herrn Leipzig. Es ist sehr wichtig.«
    »Nicht hier«, antwortete sie und
lächelte.
    Ein Mann trat an ihre Seite. Er war
jung und unrasiert und trug Tätowierungen auf den Armen und der Brust. Sie
sprachen einen Augenblick miteinander in einer Sprache, die Smiley für polnisch
hielt.
    »Nix hier«, bestätigte der Mann vorsichtig. »Otto nix hier.«
    »Wir sind nur Gelegenheitsmieter«,
rief das Mädchen hinunter.
    »Wenn Otto pleite ist, zieht er in
seine Stadtvilla und überläßt uns die Wohnung.«
    Sie wiederholte das Ganze für ihren
Freund, der diesmal lachte. »Nix hier«, wiederholte er. »Kein Geld.
Niemand hat Geld.«
    Sie genossen die Morgenfrische und
die Gesellschaft.
    »Wann haben sie ihn das letzte Mal
gesehen?« fragte Smiley. Neuerliche Beratung. War es an diesem Tag oder an
jenem? Smiley hatte den Eindruck, daß sie außerhalb der Zeit lebten.
    »Donnerstag«, verkündete das
Mädchen und lächelte wieder.
    »Donnerstag«, wiederholte der Mann.
    »Ich habe gute Nachrichten für
ihn«, erklärte Smiley fröhlich, ganz auf ihren Ton eingestimmt. Er klopfte auf
seine Brieftasche. »Geld, Pinkepinke. Alles für Otto. Ist seine Provision für
ein Geschäft. Ich hatte es ihm für gestern versprochen.«
    Das Mädchen verdolmetschte das
alles, die beiden redeten hin und her, und das Mädchen lachte wieder.
    »Mein Freund sagt, Sie sollen es
Otto nicht geben, sonst kommt er zurück und wirft uns raus, und wir haben
wieder nichts, wo wir miteinander schlafen können.«
    Versuchen Sie es mal mit dem
Campingplatz am See, schlug sie vor und streckte den nackten Arm aus. Zwei
Kilometer die Hauptstraße entlang, über die Eisenbahnlinie und an der Windmühle
vorbei, dann rechts - sie schaute auf ihre Hände, bog dann eine

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