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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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anmutig zu
ihrem Liebhaber hin -, ja, rechts; rechts, auf den See zu, aber den sehen Sie
erst, wenn Sie direkt davor stehen. »Wie heißt der Ort?«
    »Hat keinen Namen«, sagte sie, »es
ist einfach nur ein Ort. Fragen Sie nach >Ferienhäuser zu vermieten<,
und fahren Sie dann auf die Boote zu. Fragen Sie nach Walter. Wenn Otto in der
Gegend ist, dann weiß Walter, wo man ihn finden kann.«
    »Walter weiß alles«, rief sie. »Er
ist der reinste Professor.«
    Sie übersetzte wieder, aber diesmal
schaute der Mann ärgerlich drein.
    »Schlechter Professor!« rief er herunter. »Walter schlechter Mensch!«
    »Sind Sie auch ein Professor?«
fragte das Mädchen Smiley.
    »Nein. Nein, leider nicht.« Er
lachte und dankte ihnen, und sie beobachteten ihn auf seinem Weg zum Wagen wie
Kinder bei einer Feier. Der Tag, die strahlende Sonne, sein Besuch - alles war
Spaß für sie. Er kurbelte das Fenster herunter, um sich zu verabschieden, als
er sie etwas rufen hörte, was er nicht verstand.
    »Wie war das?« rief er zu ihr
hinauf, immer noch lächelnd.
    »Ich habe gesagt, dann hat Otto zur
Abwechslung doppelt Glück gehabt!« wiederholte das Mädchen.
    »Wieso?« fragte Smiley und stellte
den Motor ab. »Wieso hat er doppelt Glück gehabt?«
    Das Mädchen hob die Schultern. Die
Decke glitt ab, und die Decke war das einzige, was sie trug. Ihr Freund legte
einen Arm um sie und zog die Decke züchtig wieder hoch.
    »Letzte Woche der unerwartete
Besuch aus dem Osten«, sagte sie, »und heute das Geld. Otto ist ausnahmsweise
ein Sonntagskind. Mehr wollte ich nicht sagen.«
    Dann sah sie Smileys Gesicht und
das Lachen wich jäh aus ihrer Stimme.
    »Besuch?« wiederholte Smiley. »Was
für ein Besuch?«
    »Aus dem Osten«, sagte sie.
    Smiley, der ihre Bestürzung sah und
befürchtete, sie könnte auf Nimmerwiedersehen verschwinden, ließ mühsam wieder
den Anschein von guter Laune erstehen.
    »Doch nicht sein Bruder, oder
doch?« fragte er, ganz Begeisterung. Er streckte eine Hand aus und legte sie
auf den Kopf des mythischen Bruders. »Kleiner Bursche? Brille wie meine?«
    »Nein, nein! Ein großer
Bursche. Mit Chauffeur. Reich.«
    Smiley schüttelte den Kopf und
mimte sorglose Enttäuschung.
    »Dann kenn ich ihn nicht«, sagte
er. »Ottos Bruder ist ganz sicher nie reich gewesen.« Er brachte ein
unbekümmertes Lachen zustande.»Es sei denn, er war der Chauffeur«, fügte er hinzu.
     
    Er folgte genau ihren Anweisungen,
mit der tiefen Ruhe, die aus der Not geboren wird. Gelenkt werden. Keinen
eigenen Willen haben. Gelenkt werden, beten, dem Schöpfer einen Händel vorschlagen.
Oh Gott, laß es nicht zu, nicht noch einen Wladimir, und ich werde jeden
Sonntag in die Kirche gehen, bis ans Ende meiner Tage. Die braunen Felder hatten
sich in der Sonne golden gefärbt, doch auf Smileys Rücken war der Schweiß wie
eine kalte Hand, die über die Haut strich. Er sah alles, als wäre es sein letzter
Tag, wußte, daß der große Bursche mit seinem Chauffeur denselben Weg vor ihm
gefahren war. Er sah das Bauernhaus mit dem alten Pferdepflug in der Scheune,
das flackernde Neonschild einer Bierreklame, die Blumenkästen voll blutroter
Geranien. Er sah die Windmühle, die wie eine riesige Pfeffermühle aussah, und
die Wiese mit den weißen Gänsen, die im böigen Wind dahinliefen. Er sah die
Reiher wie Segel über die Marschen schweben. Er fuhr zu schnell. Ich müßte
öfter fahren, dachte er; ich bin außer Übung, hab' den Wagen nicht unter
Kontrolle. Die Straße wechselte von Schotter zu Splitt und von Splitt zu Staub,
und der Staub trieb um das Auto wie ein Sandsturm. Er fuhr durch ein
Kiefernwäldchen und sah, als er wieder herauskam, ein Schild mit der Aufschrift
>Ferienwohnungen zu vermieten< und eine Reihe unbewohnter Bungalows, die
auf den Sommeranstrich warteten. Er fuhr zügig dahin und sah in der Ferne ein
Dickicht von Masten und braunes, niedriges Wasser in einem Bassin. Er hielt auf
die Mäste zu, rumpelte über ein Schlagloch und hörte ein fürchterliches Krachen
unter dem Wagen. Er vermutete, daß es der Auspuff war, denn das Motorgeräusch
war plötzlich sehr viel lauter geworden und hatte die Hälfte aller Wasservögel
von Schleswig-Holstein aufgescheucht. Er fuhr an einem Gehöft vorbei,
durchquerte die schützende Dunkelheit einer Baumgruppe und tauchte dann in ein
Bild von blendender Weiße mit einem schadhaften Landungssteg und ein paar
schwanken, olivfarbenen Schilfrohren als niedrigem Vordergrund, über den sich
ein

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