Carre, John le
an Bord der Isadora ?« fragte
er.
Der Eimer gurgelte und lief voll.
Der Bärtige zog ihn heraus, sagte aber nichts.
»Sie sollten seinen Wagen sehen«,
schrie eine Frau schrill vom Strand herüber, oder vielleicht war es auch ein
Kind gewesen. »Sie haben ihn in den Wald gefahren.«
Der Wald lag hundert Meter vom
Wasser entfernt und bestand hauptsächlich aus Jungholz und Birken.
»Wer?« fragte Smiley. »Wer hat ihn
dahin gefahren?«
Der Sprecher von vorhin, wer immer
es auch gewesen war, zog es jetzt vor, nicht mehr zu sprechen. Der Alte ruderte
auf den Steg zu. Smiley beobachtete ihn, wie er näher kam, wie er achtern
auf die Treppen des Stegs zusteuerte. Ohne zu zögern, kletterte er in das
Boot. Der Alte brachte ihn mit ein paar Ruderschlägen zur Isadora. Eine
Zigarette war zwischen seine rissigen Lippen geklemmt, sie schimmerte
unwirklich vor der bösartigen Düsterkeit seines verwitterten Gesichts.
»Von weit her?« fragte der Alte.
»Ich bin ein Freund von ihm«, sagte
Smiley.
Die Leiter der Isadora war
voller Rost und Algen, das Deck schlüpfrig vor Tau. Smiley hielt nach
Lebenszeichen Ausschau, sah aber keine. Er hielt nach Fußabdrücken im Tau
Ausschau, ohne Erfolg. Ein paar Angelschnüre hingen von der rostigen Reling
ins Wasser, aber sie konnten schon seit Wochen daran festgebunden sein. Er
lauschte und hörte wieder, ganz schwach, Fetzen einer langsamen Tanzmusik. Der
Klang kam von unten, und es war, als spiele jemand eine 78-Schallplatte mit 33.
Er schaute hinunter und sah den
Alten in seinem Dingi. Er hatte sich zurückgelehnt, den Zipfel seiner Mütze
über die Augen gezogen und schlug langsam den Takt zur Musik. Smiley drückte
auf die Klinke der Kabinentüre. Sie war verschlossen, doch die Tür schien, wie
alles andere auch, nicht sehr solide zu sein. Er ging also auf dem Deck herum,
bis er einen rostigen Schraubenzieher fand, der sich als Stemmeisen verwenden
ließ. Er zwängte ihn in die Spalte, ruckte ihn hin und her, und plötzlich gab
zu seiner Überraschung die ganze Tür nach, Rahmen, Angeln, Schloß und der Rest
fielen mit einem explosionsartigen Knall nach hinten, in einer Wolke roten
Staubs aus verrottetem Holz. Eine große, langsam fliegende Motte stieß an seine
Wange, und er spürte noch eine Weile danach einen Schmerz wie von einem Stich,
so daß er sich allmählich fragte, ob es nicht eine Wespe gewesen war. In der
Kabine war es stockdunkel, doch die Musik war ein wenig lauter. Er stand auf
der obersten Sprosse der Leiter, und trotz des Tageslichts hinter ihm blieb es
unten pechschwarz. Er drückte auf einen Lichtschalter, der nicht funktionierte.
Smiley ging wieder zurück und rief zu dem Alten in seinem Dingi hinunter:
»Streichhölzer!«
Beinahe wäre er aus der Ruhe
gekommen. Die Zipfelmütze rührte sich nicht, und das Taktschlagen hörte nicht
auf. Er schrie, und diesmal landete eine Streichholzschachtel vor seinen Füßen.
Er nahm sie mit in die Kabine, zündete ein Streichholz an und sah das
erschöpfte Transistorradio, das mit seiner letzten Energie Musik ausstieß. Es
war so ziemlich das einzige, was noch ganz war, das einzige, was noch
funktionierte in all der Verwüstung ringsum.
Das Streichholz war ausgegangen,
und ehe er ein neues anzündete, zog er die Vorhänge zurück, doch nicht auf der
Landseite. Er wollte nicht, daß der Alte hereinschaute. Im grauen, schräg einfallenden
Licht wirkte Leipzig so lächerlich wie sein winziges Konterfei auf dem Foto,
das Herr Kretzschmar aufgenommen hatte. Er lag da, wo sie ihn gefesselt hatten,
nackt, doch ohne Mädchen und ohne Kirow. Das kantige Toulouse-Lautrec-Gesicht,
grün und blau geschlagen und mit Seilenden geknebelt, war im Tod so zerklüftet
und ausdrucksvoll, wie Smiley es vom Leben her in Erinnerung hatte. Die Musik
hatte vermutlich den Lärm übertönen sollen, während sie ihn folterten. Doch die
Musik allein dürfte wohl dazu nicht ausgereicht haben. Er starrte unverwandt
auf das Radio, wie auf einen Bezugspunkt, ein Ding, auf das man mit Ohren und
Augen zurückkommen konnte, wenn der Anblick der Leiche unerträglich werden
sollte, bevor das Streichholz ausging. Japanisch, bemerkte er. Merkwürdig,
dachte er. Sich ganz auf diese Merkwürdigkeit konzentrieren. Wie merkwürdig,
daß die technischen Deutschen japanische Radios kaufen. Er fragte sich, ob die
Japaner das Kompliment wohl zurückgaben. Frag dich nur, ermunterte er sich
grimmig. Richte dein ganzes Augenmerk auf das interessante
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