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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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brannte wie Feuer. Sie hörte ein Hämmern
und glaubte, es sei in ihrem Kopf, bis sie begriff, daß es von einem
aufgebrachten Nachbarn stammte. Als sie die Schläge der Kirchenuhr zählte, kam
sie nur auf vier; kein Wunder also, wenn der Nachbar gegen das donnernde
Rauschen in den alten Leitungen protestierte. Die Anstrengung des Kaffeekochens
hatte sie erschöpft, aber sie konnte sich plötzlich nicht mehr setzen, es war
genauso unerträglich, wie das Liegen. Blieb als Ruhestellung nur noch, daß sie
sich über den Ausguß beugte und die Ellbogen auf das Ablaufbrett stützte. Von
hier aus konnte sie den Hof überblicken, zum Zeitvertreib und zur Sicherheit,
und von hier aus hatte sie die Männer erspäht, die beiden Geschöpfe der
Finsternis - wie sie jetzt befand -, und gehört, daß sie der Concierge etwas
zuriefen und die dumme alte Ziege zurückblökte und dabei ihren blöden Kopf
schüttelte -»Nein, Madame Ostrakowa ist nicht da, nicht da« -, nicht da, in
zehn verschiedenen Variationen, daß es gleich einer Arie durch den Hof schallte
- ist nicht da -, alles übertönte, das Teppichklopfen und den
Kinderlärm und das Geschnatter der beiden alten Weiber vom dritten Stock, die
ihre mit Schals umwickelten Köpfe aus zwei Meter voneinander entfernten
Fenstern streckten - ist nicht da! -, bis nicht einmal ein Kind es mehr
geglaubt hätte.
    Wenn sie lesen wollte, mußte sie
das Buch auf das Ablaufbrett legen, und dort deponierte sie nach dem
Auftauchen der Männer auch die Waffe, bis sie die Öse am Kolben bemerkte und,
als praktische Frau, aus Bindfaden eine Schlaufe anfertigte und sich die
Pistole um den Hals hängte. So hatte sie beide Hände frei, um sich bei jeder
Fortbewegung abstützen zu können. Aber als die Waffe ihr gegen die Brüste
stieß, wurde ihr vor Schmerz übel. Nachdem die Männer wieder gegangen waren,
hatte sie bei ihren häuslichen Verrichtungen, die sie während ihrer Gefangenschaft
nicht vernachlässigen wollte, laut vor sich hinzureden begonnen. »Ein großer Mann, ein Leder mantel, ein Homburg-Hut«, hatte sie gemurmelt und sich
zur Herzstärkung eine tüchtige Dosis Wodka genehmigt. »Ein breiter Mann,
schütteres Haar, graue Schuhe mit Lochmuster!« Lieder machen aus
meinen Erinnerungen, hatte sie gedacht; sie dem Magier vorsingen, dem General
— oh, warum antworten sie nicht auf meinen zweiten Brief?
    Sie war wieder ein Kind, stürzte
von ihrem Pony, und das Pony machte kehrt und trampelte auf ihr herum. Sie war
wieder eine Frau und versuchte, Mutter zu werden. Sie entsann sich der drei
Tage währenden unmenschlichen Qualen, als Alexandra sich erbittert dagegen
wehrte, in das graue und gefährliche Licht einer unsauberen Moskauer
Gebärklinik zu treten - das gleiche Licht, das jetzt vor dem Fenster herrschte
und wie künstlicher Staub auf den gebohnerten Fußböden der Wohnung lag. Sie
hörte sich nach Glikman rufen: »Er soll kommen, er soll kommen.« Sie erinnerte
sich, daß ihr manchmal war, als trage sie Glikman, ihren Liebsten, und nicht
ihr Kind; als versuche sein ganzer kraftvoller haariger Körper sich seinen Weg
aus ihr - oder in sie? - zu bahnen; als liefere sie mit dieser Geburt Glikman
der Gefangenschaft aus, vor der sie ihn so gern bewahrt hätte.
    Warum war er nicht da, warum kam er
nicht? fragte sie sich und verwechselte Glikman mit dem General und mit dem
Magier. Sie wußte sehr wohl, warum Glikman nicht gekommen war, während sie mit
Alexandra rang. Sie selbst hatte ihn gebeten, wegzubleiben. »Du hast den Mut zu
leiden, und das genügt«, hatte sie zu ihm gesagt. »Aber du hast nicht den Mut,
die Leiden anderer mitanzusehen, und auch darum liebe ich dich. Christus hatte
es zu leicht«, sagte sie. »Christus konnte die Aussätzigen heilen, Christus
konnte die Blinden sehend machen und die Toten wieder zum Leben erwecken. Aber
du bist nicht Christus, du bist Glikman, und du kannst nichts gegen meine
Leiden tun als zusehen und mitleiden, und davon hat niemand etwas.«
    Aber der General und sein Magier
konnten mehr, sagte sie sich ein wenig ungehalten; sie haben sich anheischig
gemacht, mich von meinem Übel zu heilen, und ich habe ein Recht auf ihre Hilfe!
    Zur verabredeten Zeit war die
blöde, blökende Concierge heraufgekommen, komplett mit Ehetrottel und
Schraubenzieher. Sie waren voll freudiger Erregung und frohlockten, der
Ostrakowa so erquickende Kunde bringen zu können. Die Ostrakowa hatte sich auf
ihr Kommen sorgfältig vorbereitet, Musik eingeschaltet und

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