Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
Vom Netzwerk:
pensionierter brigadier machte ihr einen Heiratsantrag, aber sie lehnte ab. Später stellte sich heraus,
daß er allen weiblichen Wesen Heiratsanträge machte. Peter Guillam besuchte
sie mindestens jede Woche, und manchmal gingen sie ein paar Stunden miteinander
spazieren. Er plauderte in fehlerfreiem Französisch mit ihr, vorwiegend über
Landschaftsgärtnerei, ein Gebiet, auf dem er schier unerschöpfliche Kenntnisse
besaß. Das war das Leben der Maria Ostrakowa, soweit es mit dieser Geschichte
zu tun hat. Und es wurde in völliger Unkenntnis der Geschehnisse zu Ende
gelebt, die ihr erster Brief an den General ins Rollen gebracht hatte.
     

19
     
     
     
     
    »Wissen Sie, daß er tatsächlich
Ferguson heißt?« knautschte Saul Enderby in besonders breitem
Belgravia-Cockney, der letzten Unsitte der englischen Oberklasse.
    »Ich habe nie daran gezweifelt«,
sagte Smiley.
    »Er ist ungefähr alles, was von
diesem ganzen Pfadfinder-Stall übrig ist. Die Weisen sind heutzutage nicht für
Inlands-Aufklärung. Parteiwidrig oder sonst ein Käse.« Enderby konzentrierte
sich wieder auf das umfangreiche Dokument, das er in der Hand hielt. »Und wie
heißen Sie, George Smiley? Sherlock Holmes, der seinen armen alten
Moriarty hetzt? Kapitän Ahab, der seinen großen weißen Wal jagt? Wer sind Sie?«
    Smiley antwortete nicht.
    »Ehrlich gesagt, möchte ich gern
einen Feind haben«, bemerkte Enderby und blätterte ein paar Seiten um. »Bin
schon seit Olims Zeiten auf der Suche. Oder, Sam?«
    »Tag und Nacht, Chef«, pflichtete
Sam Collins munter bei und bedachte seinen Meister mit einem vertraulichen
Grinsen.
    Bei Ben waren die rückwärtigen Räumlichkeiten eines dunklen Hotels
in Knightsbridge, und dort hatten die drei Männer sich vor einer Stunde
getroffen. An der Tür hing ein Schild »Geschäftsleitung, nur privat«, und
dahinter war ein Vorraum mit Garderobe und WC, und dahinter lag das
Allerheiligste, angefüllt mit Büchern und Moschusduft, das hinwiederum Zugang
gewährte zu einem kleinen ummauerten Gartengeviert - vom Park abgezwackt -, mit
einem Fischteich und einem Marmorengel und einem Pfad zu sinnendem
Umherwandeln. Bens Identität war, falls er jemals eine besessen hatte, in den
ungeschriebenen Archiven der Circus-Mythologie abgelegt. Aber diese nach ihm
benannte Stätte war geblieben, als nicht registriertes Zubehör von Enderbys -
und vor ihm von Smileys - Posten und als Stelldichein für Treffen, die später
nie stattgefunden hatten. »Ich möchte es nochmals durchgehen, wenn's Ihnen
recht ist«, sagte Enderby. »Bin um diese Tageszeit ein bißchen langsam von
Begriff.«
    »Wäre sicher riesig hilfreich,
Chef«, sage Collins.
    Enderby rückte an seiner
Halb-Brille, aber nur, um darüber hinwegzublicken, und Smiley war insgeheim
überzeugt, daß sie ohnehin aus Fensterglas bestand.
    »Kirow ist also der Sprecher.
Nachdem Leipzig ihm die Daumenschrauben angesetzt hat, stimmt's, George?«
Smiley nickte zerstreut. »Die beiden sitzen immer noch in Unterhosen in diesem
Puff, aber es ist fünf Uhr morgens, und die Mädchen wurden heimgeschickt.
Zunächst kommt Kirows tränenreiches Wie-konntest-du-mir-das-antun? >Ich
hielt dich für meinen Freund, Otto!< sagt er. Herrgott, wie man sich doch
täuschen kann! Dann folgt seine Aussage, von den Übersetzern in schlechtes
Englisch gebracht. Sie haben eine Konkordanz angefertigt - ist dies das
richtige Wort, George? Die >Ähs< und >Ehems< ausgelassen?«
    Smiley ließ dahingestellt, ob es
das richtige Wort war oder nicht. Vielleicht wurde auch keine Antwort erwartet.
Er saß sehr still in einem Lederfauteuil, über die gefalteten Hände gebeugt,
und er hatte seinen braunen Tweedmantel nicht ausgezogen. Ein Exemplar der
Kirow-Umschrift lag in Reichweite. Er sah mitgenommen aus, und Enderby äußerte
später, er habe damals offenbar eine Hungerkur gemacht. Sam Collins, oberster
Einsatzleiter, saß buchstäblich in Enderbys Schatten; ein eleganter Mann mit
dunklem Lippenbärtchen und einem strahlenden Lächeln
    zum An- und Ausknipsen. Früher
einmal war Collins der harte Mann des Circus gewesen, der in jahrelangen
Außeneinsätzen die Liebedienerei der fünften Etage verachten gelernt hatte.
Jetzt war aus dem Wildschützen ein Forstgehilfe geworden, der für seine eigene
Rente und Sicherheit Sorge trug, so wie er einst für seine Netze Sorge getragen
hatte. Er enthielt sich jeder eigenen Meinung; er rauchte seine braunen
Zigaretten bis zur Hälftenmarkierung, dann drückte

Weitere Kostenlose Bücher