Carre, John le
erfahrener
Altwagenfrisierer wie Canada Bill in der Nacht vom Mittwoch einen Motorschaden
basteln könnte - so daß der Mercedes zwar vom Fleck käme, aber nur mit knapper
Not -, wäre es dann nicht möglich, Grigoriew aus der Werkstatt zu schnappen,
während er darauf wartete, daß der Mechaniker den Fehler entdeckte? Der Plan
starrte von Unsicherheitsfaktoren. Selbst wenn alles klappen sollte, wie lange
würden sie Grigoriew für sich haben? Zum Beispiel mußte Grigoriew an
Donnerstagen rechtzeitig wieder zu Hause sein, um den allwöchentlichen Besuch
des Kuriers Krassky nicht zu versäumen. Trotz allem blieb es ihr bisher einziger
Plan - der schlechteste mit Ausnahme aller übrigen, sagte Toby -, und so begann
ein banges fünftägiges Warten, während Toby und seine Teamführer über
Ausweich-Prozeduren für die zahlreichen unerfreulichen Folgesituationen
brüteten, die ein Platzen des Vorhabens nach sich ziehen würde: Jeder mußte
sein Bündel geschnürt und sich in seinem Hotel abgemeldet haben; Fluchtpapiere
und Geld allezeit bei sich tragen; Funkausrüstung verpacken und unter einem
amerikanischen Namen in den Tresorräumen einer größeren Bank verwahren, damit
eventuelle Spuren auf die Vettern, nicht auf den Circus verweisen würden;
keinerlei Zusammenkünfte, nur kurzer Wortwechsel auf der Straße im
Vorübergehen; Wellenlängen alle vier Stunden ändern. Toby kannte seine
schweizerische Polizei, sagte er. Er hatte schon früher hier gejagt. Wenn die
Sache aufflöge, sagte er, sei es umso besser, je weniger von seinen Jungens und
Mädchen in der Gegend seien und Fragen beantworten könnten. »Gott sei Dank, daß
die Schweizer bloß neutral sind!«
Als recht schwachen Trost und zur
Auffrischung der anfälligen Kampfmoral der Observanten bestimmten Smiley und
Toby, daß Grigoriews Überwachung während der bevorstehenden Wartetage auf
vollen Touren weiterlaufen sollte. Der Beobachtungsposten am Brunnadernrain
würde rund um die Uhr besetzt sein; Auto- und Motorradpatrouillen verkürzten
die Abstände. Jeder sollte sprungbereit sein, für den unwahrscheinlichen Fall,
daß Gott in einer völlig uncharakteristischen Anwandlung sich auf die Seite der
Gerechten schlagen würde.
In der Tat schickte Gott ein
idyllisches Sonntagswetter, und dies brachte die Entscheidung. Gegen zehn Uhr
vormittags schien es, als sei die Alpensonne vom Oberland herabgestiegen, um
das Leben der umnebelten Talbewohner zu erleuchten. Im Bellevue Palace, wo
sonntags geradezu überwältigende Stille herrscht, hatte ein Kellner soeben
fürsorglich eine Serviette über Smileys Knie gebreitet. Smiley trank geruhsam
Kaffee und versuchte, sich auf die Wochenend-Ausgabe der Herald Tribune zu
konzentrieren, als er, aufblickend, die liebenswürdige Erscheinung des
Chefportiers Franz vor sich stehen sah.
»Excusez, Mr. Barraclough, Sie
werden am Telefon verlangt. Ein Mr. Anselm.«
Die Kabinen waren in der
Haupthalle, die Stimme war Tobys Stimme, und der Name Anselm bedeutete
Alarmstufe 6. »Das Büro in Genf meldete uns soeben, daß der Herr
Generaldirektor jetzt auf dem Wege nach Bern ist.«
Das Büro in Genf war der Codename
des Beobachtungspostens Brunnadernrain.
»Fährt seine Gattin mit?« sagte
Smiley.
»Madame ist leider verhindert, sie
macht einen Ausflug mit den Kindern«, erwiderte Toby. »Könnten Sie vielleicht
in die Filiale herüberkommen, Mr. Barraclough?«
Tobys Filiale war ein Pavillon in
einem gepflegten Park in der Nähe des Bundeshauses. Smiley war in fünf Minuten
dort. Unten lag das Bett des grünen Flusses. In der Ferne ragten die besonnten
Gipfel des Berner Oberlands prachtvoll in den blauen Himmel.
»Grigoriew hat die Botschaft vor
fünf Minuten verlassen, allein, in Hut und Mantel«, sagte Toby zur Begrüßung.
»Er ist zu Fuß auf dem Weg in die Stadt. Alles, wie am ersten Sonntag unserer
Beschattung. Er geht zu Fuß zur Botschaft, zehn Minuten später marschiert er in
die Stadt. Er will das Schachspiel verfolgen, George, kein Zweifel. Was sagen
Sie?«
»Wer ist bei ihm?«
»Skordeno und de Silsky zu Fuß,
dahinter ein Observierungswagen, zwei weitere Autos vor ihm. Ein Team ist im
Moment unterwegs zur Münsterterrasse. Wollen wir, George, oder wollen wir nicht?«
Sekundenlang konnte Toby wieder
jenen Zwiespalt wahrnehmen, der Smiley immer dann zu befallen schien, wenn ein
Unternehmen ins Rollen kam: nicht so sehr Unentschlossenheit, vielmehr ein
rätselhafter Widerwillen gegen den Vorstoß.
Toby drängte:
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