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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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echte Kontaktperson jemand ganz anderer,
überlegte er, um sich zu beruhigen. Eine dieser fetten Damen mit Filzhut
vielleicht. Ich war übererregt, sagte er sich. Im entscheidenden Augenblick hat
sich ein Unbekannter umgedreht und mich angeschaut, und ich habe ihm eine
ganze Geschichte angehängt, in ihm sogar meinen sterbenden Vater gesehen.
    Als
er in Dover ankam, war er fast überzeugt, er habe den Mann aus seinem Denken
verdrängt. Er hatte die verdammten Orangen in einen Abfallkorb geworfen; der
gelbe Umschlag steckte wohlverwahrt in seiner Jackentasche, eine spitze Ecke
stach ihn in die Haut, und alles übrige zählte nicht. Er hatte Theorien über
seinen heimlichen Komplizen aufgestellt? Weg damit! Selbst wenn er aus reinem
Zufall recht gehabt haben sollte und es wirklich dieses eingefallene starrende
Gesicht gewesen war- na und ? Um so weniger Grund, es dem General
vorzuplappern, dessen Sicherheitsfimmel der junge Mann mit der unanfechtbaren
Besessenheit eines Sehers gleichsetzte. Der Gedanke an Stella verfolgte ihn
mit schmerzender Hartnäckigkeit. Sein Verlangen wuchs mit jeder lärmenden
Meile. Es war noch früh am Morgen. Er stellte sich vor, daß er sie mit seinen
Liebkosungen weckte; er sah, wie sich ihr verschlafenes Lächeln langsam in
Leidenschaft wandelte.
     
    Der
Ruf erreichte Smiley in derselben Nacht. Da er in letzter Zeit den
entschiedenen Eindruck gehabt hatte, ganz und gar nicht gut zu schlafen, war es
merkwürdig, daß das Telefon am Bett lange läuten mußte, ehe er den Hörer
abnahm. Er war von der Bibliothek direkt nach Hause gegangen und hatte dann
später in einem italienischen Restaurant an der King's Road frugal zu Abend gegessen,
im Schutz der Newe Orientalische Reise des Olearius. Nach seiner
Rückkehr in die Bywater Street hatte er wieder die Arbeit an seiner Monographie
aufgenommen, mit der Hingabe eines Mannes, der nichts Besseres zu tun hat. Nach
ein paar Stunden hatte er eine Flasche Burgunder entkorkt und sie zur Hälfte
geleert, wobei er sich ein miserables Hörspiel anhörte. Er hatte unruhig
geschlafen, bis der Anruf kam. Sobald er jedoch Lacons Stimme hörte, hatte er
das Gefühl gehabt, daß man ihn aus einer warmen und liebgewordenen Geborgenheit
riß, in der er für immer hätte bleiben wollen. Obwohl er sich schnell bewegte,
hatte er den Eindruck, unendlich lange zum Anziehen zu brauchen; und er fragte
sich, ob es so wohl allen alten Männern ergehe, wenn eine Todesnachricht
eintraf.
     

3
     
     
     
     
    »Haben
Sie ihn denn persönlich gekannt, Sir?« fragte der Detective Chief
Superintendent der Polizei respektvoll und in bewußt gedämpftem Ton. »Oder
vielleicht sollte ich besser nicht fragen.«
    Die
beiden Männer waren seit einer Viertelstunde zusammen, aber dies war die erste
Frage des Superintendent. Eine ganze Weile schien es, als habe Smiley sie nicht
gehört, doch sein Stummbleiben wirkte nicht beleidigend, er besaß die Gabe des
Schweigens. Überdies stellt sich zwischen zwei Männern, die eine Leiche
betrachten, ein wortloses Einverständnis her. Es war eine Stunde vor
Tagesanbruch in der Hampstead Heath, eine diesige, neblige Niemands-Stunde,
weder warm noch kalt, mit einem Himmel, der vom Londoner Widerschein orange
gefärbt war, und mit Bäumen, die wie Ölhäute glänzten. Smiley und der
Superintendent standen Seite an Seite in einer Buchenallee, und der
Superintendent war um einen Kopf größer: ein junger, vorzeitig ergrauter
Koloss von einem Mann, ein bißchen bombastisch vielleicht, doch von der Milde
eines Riesen, die ihn sofort sympathisch machte. Smiley hatte die Patschhände
über dem Bauch gefaltet, wie ein Bürgermeister vor einem Kriegerdenkmal, und
für nichts anderes Augen als für die Leiche, die zu seinen Füßen im Strahl der
Stablampe des Superintendent unter einer Plastikhülle lag. Der Marsch hierher
hatte ihn offentsichtlich außer Atem gebracht, er schnaubte ein bißchen, wie er
so niederstarrte. Aus der Dunkelheit knisterten Polizeiempfänger in die
Nachtluft. Außer der Stablampe des Superintendent waren keine Lichter zu sehen;
er hatte befohlen, sie auszumachen.
    »Nur
jemand, mit dem ich zusammenarbeitete«, erklärte Smiley nach einer langen
Pause.
    »So
hatte man mir zu verstehen gegeben, Sir«, sagte der Superintendent.
    Er
wartete hoffnungsvoll, aber es kam nichts mehr. »Nicht einmal mit ihm
sprechen«, hatte der Deputy Assistant Commissio-ner (Crime and Ops) gesagt. »Zeigen
Sie ihm nur, was er will, und ab mit ihm

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