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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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durch die Mitte. Schnell.« Bis jetzt
hatte der Superintendent sich an die Anweisung gehalten, und zwar, wie er
selber fand, mit Lichtgeschwindigkeit. Die Fotografen hatten Fotos gemacht, der
Arzt hatte den Exitus festgestellt, der Pathologe hatte die Leiche in situ inspiziert,
ehe er die Autopsie vornehmen würde - das Ganze wider alle Gepflogenheit im
Eiltempo, nur um den Weg freizumachen für den anrückenden Irregulären ,
wie der Deputy Assistant Commissioner (Crime and Ops) ihn zu nennen geruhte.
Der Irreguläre war eingetroffen - etwa so zeremoniell wie ein Gasableser,
dachte der Superintendent, der ihn sogleich im Galopp durch die Routine
schleuste. Sie hatten die Fußabdrücke angeschaut, sie hatten den Weg des alten
Mannes bis hierher verfolgt. Der Superintendent hatte das Verbrechen
rekonstruiert, soweit er unter den gegebenen Umständen dazu fähig war, und der
Superintendent war ein fähiger Mann. Nun standen sie in der Senke, dort, wo die
Allee eine Biegung machte und der rollende Nebel am dichtesten war. Im Licht
der Stablampe war der Leichnam der Mittelpunkt von allem. Er lag mit dem
Gesicht zur Erde, die Arme ausgebreitet, als hätte man ihn auf den Kies
gekreuzigt, und die Plastikplane machte ihn noch lebloser. Es war der Körper
eines alten, aber immer noch breitschultrigen Mannes, ein Körper, den Kampf und
Leid gezeichnet hatten. Das weiße Haar war zur Bürste geschnitten. Eine
kräftige geäderte Hand umklammerte noch immer einen klobigen Spazierstock. Er
trug einen schwarzen Mantel und Gummigaloschen. Eine schwarze Baskenmütze lag
neben ihm auf dem Boden, und der Kies unter seinem Kopf war schwarz von Blut.
Einige Münzen lagen verstreut herum, und ein Kavalierstüchlein sowie ein
kleines Federmesser, das mehr nach Souvenir als nach Werkzeug aussah.
Höchstwahrscheinlich haben sie angefangen, ihn zu durchsuchen und dann
abgelassen, Sir, hatte der Superintendent gesagt. Höchstwahrscheinlich wurden
sie gestört, Mr. Smiley, Sir; und Smiley dachte, wie es wohl sein mochte, wenn
man den warmen Körper eines Menschen berührte, den man gerade erschossen hat.
    »Könnte
ich wohl einen Blick auf sein Gesicht werfen, Superintendent?« sagte Smiley.
    Diesmal
war es am Superintendent, mit der Antwort zu zögern. »Ah, meinen Sie wirklich,
Sir?« Es klang leicht verlegen. »Es gibt bessere Mittel und Wege, ihn zu
identifizieren, als das, wissen Sie.«
    »Ja.
Ja, sicher«, sagte Smiley so ernst, als hätte er diesen Punkt reiflich erwogen.
    Der
Superintendent rief leise zu den Bäumen hinüber, wo seine Leute zwischen ihren
unbeleuchteten Fahrzeugen standen wie die nächste Generation, die auf ihr
Stichwort wartet. »Ihr da. Hall. Sergeant Pike. Kommen Sie her und drehen Sie
ihn um. Beeilung.«
    Schnell, hatte der Deputy Assistant Commissioner (Crime and Ops) gesagt.
    Zwei
Männer glitten aus dem Schatten. Der Ältere trug einen schwarzen Bart. Ihre
ellbogenlangen Chirurgenhandschuhe glänzten geisterhaft grau. Sie trugen blaue
Overalls und schenkelhohe Gummistiefel. Der Bärtige kauerte nieder und hob vorsichtig
die Plastikplane an, während der junge Constable eine Hand an die Schulter des
alten Mannes legte, als wolle er ihn aufwecken. »Sie müssen schon ein bißchen
kräftiger zufassen, Junge«, mahnte der Superintendent in bedeutend schärferem
Ton.
    Der
junge Mann zog, der bärtige Sergeant half ihm, und die Leiche drehte sich
widerstrebend um, wobei ein Arm steif mitschwang, während der andere am Stock
festhielt.
    »Herrgott«,
sagte der Constable. »Gott verdammich!« und klappte eine Hand über seinen Mund.
Der Sergeant packte ihn am Ellbogen und zerrte ihn weg. Man hörte würgende
Laute.
    »Ich
persönlich halte nichts von Politik«, vertraute der Superintendent Smiley
zusammenhanglos an, wobei er beharrlich nach unten starrte. »Ich halte nichts
von Politik, und ich halte auch nichts von Politikern. Verrückte mit
Jagdschein, die meisten, wenn Sie mich fragen. Drum bin ich auch zur Polizei
gegangen, ehrlich gesagt.« Der wallende Nebel zog im Strahl seiner Stablampe
seltsame Kringel. »Sie wissen nicht zufällig, was es gewesen sein kann, oder,
Sir? In den ganzen fünfzehn Jahren hab ich keine derartige Wunde gesehen.«
    »Ich
fürchte, Ballistik schlägt nicht in mein Fach«, antwortete Smiley nach einer
weiteren Denkpause.
    »Nein,
hab ich eigentlich auch nicht angenommen. Genug gesehen, Sir?«
    Hatte
Smiley offenbar nicht.
    »Die
meisten Leute erwarten allen Ernstes einen Brustschuß,

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