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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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bißchen über das Ziel hinaus, mein Freund. Da war noch etwas an diesem
Gesicht, was der Superintendent nicht so leicht vergessen würde. Später sprach
er mit dem alten Mendel darüber, wie über so viele andere Dinge. Die Feuchtigkeit.
Er hatte sie zuerst für Tau gehalten - doch sollte es Tau sein, wieso war dann
das Gesicht des Superintendent strohtrocken? Es war nicht Tau, und es war auch
nicht Schmerz, wenn seine Ahnung zutraf. Es war etwas, was den Superintendent
gelegentlich selber ankam, und auch die Jungens, sogar die härtesten; es
übermannte sie, und der Superintendent hielt danach Ausschau wie ein Falke.
Gewöhnlich bei Kinderfällen, wo einem die Widersinnigkeit durch Mark und
Knochen ging - Kindesmißhandlungen, Kindesentführungen, Kindermorde. Man brach
nicht zusammen noch raufte man sich das Haar oder was dergleichen Theater mehr
war. Man legte nur wie von ungefähr die Hand ans Gesicht und fand es feucht und
fragte sich, wofür zum Teufel Christus eigentlich gestorben sei, falls ER
überhaupt jemals gestorben war.
    Und
wenn man in dieser Stimmung war, sagte sich der Superintendent leicht
schaudernd, dann nahm man am besten ein paar Tage Urlaub und fuhr mit seiner
Frau nach Margate, sonst sprang man, ehe man recht wußte, wie es kam, mit den
Leuten ein bißchen rauher um, als einem selber bekömmlich war.
    »Sergeant!«
brüllte der Superintendent.
    Das
bärtige Gesicht tauchte vor ihm auf.
    »Scheinwerfer
an und alles auf Normal bringen«, befahl der Superintendent. »Und sagen Sie
Inspector Hallowes, er soll gefälligst hier antanzen und sich nützlich machen.
Beeilung.«
     

4
     
     
     
     
    Sie
hatten die Kette an der Tür ausgehakt, um ihn einzulassen, und Fragen gestellt,
noch ehe sie ihm den Mantel abnahmen: präzis und konzentriert. Wurde bei dem
Toten irgendwelches kompromittierendes Material gefunden, George? Aus dem
seine Verbindung zu uns hervorgeht? Mein Gott, haben Sie lange gebraucht! Sie
hatten ihm gezeigt, wo er sich die Hände waschen könne und völlig vergessen,
daß er mit den Örtlichkeiten vertraut war. Sie hatten ihn in einen Ledersessel
bugsiert, und dort saß Smiley nun, bescheiden und unbeachtet, während Oliver
Lacon, Whitehalls Obermacher in nachrichtendienstlichen Fragen, auf dem
abgetretenen Teppich hin- und hertigerte, wie ein Mann, dem sein Gewissen keine
Ruhe läßt, und Lauder Strickland über das alte Standtelefon in der entfernten
Ecke des Zimmers alles auf fünfzehn verschiedene Arten zu fünfzehn
verschiedenen Leuten nochmals sagte - »Dann geben Sie mich zurück zur
Polizeiverbindungsstelle, Weib, und zwar sofort« - entweder bellend
oder säuselnd, je nach Rang und Einfluß. Der Superintendent lag ein Leben
zurück, doch zeitlich nur zehn Minuten. Die Wohnung roch nach alten Windeln und
abgestandenem Zigarettenrauch und lag im obersten Stockwerk eines im überladenen
spätviktorianischen Stil erbauten Apartmenthauses, keine zweihundert Yards von
Hampstead Heath. In Smileys Denken vermischten sich Visionen von Wladimirs
zerschossenem Gesicht mit den bleichen Gesichtern der Lebenden, doch der Tod
war kein überraschender Schlag für ihn, er bestätigte ihm nur, daß seine
eigenen Tage dahinschwanden, daß er auf Abruf lebte. Er saß erwartungslos da.
Er saß da, wie ein alter Mann auf einem Dorfbahnhof, der zusieht, wie die
Schnellzüge durchbrausen. Aber nichtsdestoweniger zusieht. Und sich an alte
Fahrten erinnert.
    So
geht es immer bei Krisen, dachte er; zielloses Durcheinandergerede. Ein Mann
am Telefon, ein anderer tot und ein Dritter auf und ab gehend. Nervöse
Müdigkeit in Zeitlupe.
    Er
blickte um sich, versuchte, seine Gedanken auf den Verfall außerhalb seiner
Person zu konzentrieren. Vergammelte Feuerlöscher, Stiftung des
Arbeitsministeriums. Braune Sofas mit kratzigem Bezug, etwas fleckiger als
damals. Doch im Gegensatz zu alten Generälen sterben sichere Wohnungen nie,
dachte er. Sie schwinden nicht einmal dahin.
    Auf
dem Tisch vor ihm warteten die dürftigen Attribute der Agenten-Gastlichkeit,
bereitgestellt zur Belebung des unbelebbaren Gastes. Smiley machte
Bestandsaufnahme. In einem Kübel mit geschmolzenem Eis eine Flasche
Stolochnaya-Wodka, Wladimirs aktenkundige Lieblingsmarke. Salzheringe, noch in
der Dose. Essiggurken, lose gekauft und schon am Austrocknen. Ein
obligatorischer Laib Schwarzbrot. Wie jedem Russen, den Smiley je gekannt
hatte, war es Wladimir kaum möglich gewesen, seinen Wodka ohne diese Beigabe
zu trinken. Zwei

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